KIF445:Vom Fachkräftemangel und anderen Dingen, die der Akademisierungswahn nicht behebt

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Vom Fachkräftemangel und anderen Dingen, die der Akademisierungswahn nicht behebt[Bearbeiten]

AK-Beschreibung[Bearbeiten]

Als Verfechter der Einstellung, dass die Kernaufgabe von Universitäten eigentlich die Ausbildung von Wissenschaftlern ist, stößt mir immer bitter auf, wenn ich lesen muss, dass eine höhere Akademisierungsquote das magische Allheilmittel gegen den ominösen Fachkräftemangel in Deutschland sein soll. Dabei werden meiner Ansicht nach viele nationale Besonderheiten im Bildungssystem (primär das eigentlich etablierte System der dualen Berufsausbildung) entweder abgewertet oder völlig vernachlässigt. Ich möchte daher im Rahmen dieses AKs eine Grundlagendiskussion darüber führen, welche Kompetenzen durch welche (Hoch-)Schulformen eigentlich vermittelt werden sollten, um mir ein Bild davon machen zu können, welche Ansichten zu dieser Thematik noch existieren und welche Argumente welche Seite stützen.

Der Titel des AKs ist bewusst etwas provokant gewählt und soll nicht a priori eine Endaussage darstellen. Ganz allgemein gesprochen soll dieser AK eine Plattform für den Diskurs über Bildungssysteme im Allgmeinen darstellen, insbesondere um eben die Einordnung unseres nationalen Systems in den internationalen Kontext (daher wäre es ganz besonders wünschenswert, wenn sich noch ein paar Kiffel mehr mit Ahnung von außerdeutschen Bildungssystemen einbringen).

Protokoll[Bearbeiten]

AK-Leitung Stiefel (TU Darmstadt)

Was ist eine Fachkraft? Definition schwierig, sollte sich aber auf konkretes Fähigkeitenset beziehen -> ist durch Uniabschluss nicht notwendigerweise gegeben:

Bildungssysteme:

  • Deutschland:
    • Dreigliedriges system
      • Ausbildung -- Lernziel "Funktion"
      • (duales Studium)
      • FH-Studium
      • Uni-Studium -- Lernziel "Abstraktion"
  • Uni: breites Grundwissen -> noch nicht Fachkraft (wird dazu durch jobspezifische Einarbeitung, z.B. als Trainee)
  • FH/HS: praktischere Ausbildung -> gleicht sich aber mehr mit Uni an
  • USA/angelsächsisches System:
    • Community Colleges (praxislastige Ausbildung) -> Bachelor (entspr. "Geselle")
    • University colleges (ähnl. unserem (FH/HS-)Studium) -> Bachelor -> University -> Master bzw. PhD
  • Viele private Schulen und Universitäten mit besserer Qualität als Öffentliche -> wenig durchlässig, da viel Geld benötigt wird.
  • Bachelor in den USA und anderen Ländern unterscheidet sich qualitativ vom deutschen Bachelor -> macht den Vergleich von Akademisierungsquoten verschiedener Länder schwer (da Bildungsstand vieler "Akademiker" im Ausland eher vergleichbar mit einem Gesellenabschluss in Deutschland)

"Bildungsinflation": Immer mehr Berufe verlangen Abitur Immer mehr Leute wollen ein Studium, einige studieren nur, weil sie durch das Abitur die Möglichkeit dazu haben.

  • -> Viele Abiturienten fangen einfach an irgendetwas zu studieren, zum großen Teil Massenstudiengänge wie BWL oder Lehramt
  • Dadurch steigt der gesellschaftliche Druck, ein abgeschlossenes Studium vorzuweisen, d.h. wer nach dem Abitur kein Studium anfängt (etwa 40%) muss sich dafür eher rechtfertigen
  • Früher war es stärker so, dass alle Wege valide / anerkannt waren
  • In der Informatik gibt es sowohl Ausbildungen, Studiengänge, aber auch Quereinsteiger. Alle drei Wege können sinnvoll sein.

Anfängerzahlen von Studiengängen steigen, Absolventenzahlen bleiben aber eher konstant -> (Erst-)Studium für Viele die falsche Wahl. Viele Brechen ihr (Informatik-)Studium ab weil sie merken, dass das doch nichts für sie ist. -> das sollte früher festgestellt werden können Werbekampagnen für ein MINT-Studium beheben nicht den Fachkräftemangel, sondern treiben eher die Abbrecherquote in die Höhe, wenn sie Unentschlossene dazu verleiten, sich in einen "gesuchten" Studiengang einzuschreiben, für den sie nicht die fachliche Neigung/Eignung besitzen.

  • Schere in der Qualität der Studienanfänger geht auf (Schlecht und besser gehen weiter auf)

Bei einem höheren Ausbildungsniveau steigen auch die Anforderungen an eine "Fachkraft"

"Bildungsmobilität" Übertrag von Ausbildung in Studium schlecht (bei Studium im Anschluss an Aufbildung) Problem: gesellschaftliche Anerkennung und Lohn unterscheiden sich stark zwischen Ausbildungsberufen und Universitätsabschlüssen Lohnunterschiede basieren auf Angebot und Nachfrage Bachelor macht Einstieg leichter, später ist dieser aber weniger relevant, da später die erlernten praktische Fähigkeiten (meist aus Berufspraxis) entscheidender für Berufseinstellung und Entlohnung sind.

Andere Probleme mit Bildungssystem: Schulbildung sollte lebensnaher und praxisorientierter werden.

  • In Neuseeland gibt es deutlich mehr Wahlmöglichkeiten, in unterschiedlichste Richtungen, sowohl in handwerkliche als auch akademische Richtung
    • insbesondere gibt es zentralisierte Tests für Lernziele, die pro Wahlmöglichkeit definiert worden
    • In Deutschland ist Personalisierung leider nur schöne Worte (bzw. kaum umsetzbar aufgrund von Personalmangel in der Lehrerprofession)