KIF220:Pornographie

Aus KIF

Über was reden wir eigentlich?[Bearbeiten]

Pornographie ist in erster Linie ein gesellschaftliches Problem, das auf ganz unterschiedliche Weise definiert wird. Die große Verbreitung von Pornographie hängt nicht ursächlich mit den neuen Medien zusammen und war deshalb genausowenig der Diskussionsgegenstand wie Einzelheiten der Definition.

Über Rechnernetze sind Pornos billiger und anonymer zu beschaffen als im ,,realen Leben`` - darin liegt eine Besonderheit, die zu neuen Erscheinungsformen der Pornographie und damit zu neuen Problemen führt. Ob (und welche) Maßnahmen dagegen möglich sind sowie welche davon sinnvoll sind, war unser Thema.

Die Besonderheiten digitaler Pornos[Bearbeiten]

Pornographie wird in erster Linie zum Problem, wenn Bilder und Filme nicht nur aus dem Rechnernetz gesaugt werden, sondern wenn sich durch deren Betrachtung andere im selben Raum (Terminalraum, Großraumbüro...) belästigt fühlen (was ein recht liberaler Ansatz innerhalb der Pornodebatte ist).

Für die Beurteilung wesentlich ist damit die allgemeine Verfügbarkeit solcher Pornos, weshalb wir als bislang reichlich Unerfahrene (jedenfalls nach den offiziellen Auskünften aller Beteiligten ;-)) erst einmal versucht haben, Pornos zu ziehen. Interessanterweise lag das Problem nicht darin, eine Quelle zu finden; Dienste wie WorldWideWeb und News machen dies wirklich einfach. Trotzdem ist es uns (zu viert, in zwei Tagen harter Arbeit) nur gelungen, zwei Bilder und zwei Sequenzen vom Netz zu holen: Die Server sind hochgradig überlastet...

Einschränkung der Netzbenutzung?[Bearbeiten]

Zum Teil sind die einschlägigen Rechner allerdings nicht zu erreichen. In Baden-Württemberg sind die Newsgruppen alt.binaries.pictures.* weitgehend gesperrt, der Frankfurter WWW-Verwalter sperrt einige holländische Pornobild-Rubriken, manche Newsgruppen speichern Postings nur wenige Stunden etc. Nichtsdestotrotz ist es kein großes Problem, auf Umwegen an Material zu gelangen; irc und die einschlägigen Newsgruppen liefern die nötige Hilfestellung.

Alle obigen Maßnahmen sind problematisch, weil sie manchmal Informationen einschränken, die nicht pornographischen Inhalts sind und (etwa im Falle der kurzen Speicherungsdauer von News-Artikeln) die aktuell verfügbare Pornos nur quantitativ verringern, aber nicht verhindern. Ebenso bleibt offen, wer die moralische Linie zwischen vertretbaren und unakzeptablen Darstellungen zieht. Allein auf die Selbstheilungskräfte des Internet/Usenet zu hoffen, scheint uns aber verfehlt: Während in den Anfangszeiten dieser Dienste ein Verantwortungsgefühl des/der Einzelnen für das Netz bestand, geht dieses mit zunehmender Größe und Selbstverständlichkeit dieses Systems in eine Konsumhaltung über. Wenn die moralischen Grenzen der Systembenutzung aber mit den technischen übereinstimmen, ist das Risiko groß, daß die Ethik der Technik hinterherläuft.

Das einzige praxistaugliche Mittel gegen die Anonymität beim Konsum von Pornos ist derzeit die Veröffentlichung der am fleißigsten saugenden Hosts (d. h. empfangsseitig), wie dies manche Server durchführen. Andererseits sind diese Namen nur denen zugänglich, die sich ohnehin im Pornobereich des entsprechenden Servers bewegen, und wirkt deshalb nicht sonderlich abschreckend.

Vorschlag: Ein ,,Netz mit Verantwortung``![Bearbeiten]

Um Verantwortungsgefühl der Benutzer/innen für ein Netz zu fördern, ist die Identifizierbarkeit jeder Meldung nötig. Damit wird ein Dienst nötig, bei dem jeder Benutzer und jede Benutzerin authentifiziert wird, egal von welchem Rechner aus er oder sie gerade arbeitet. Die einzige Einschränkung gegenüber bestehenden Diensten: Anonyme Diskussionen wie in irc oder Newsgruppen, z. B. über Drogen, können dort nicht stattfinden, da das System gerade die Anonymität verhindern soll und jede sendende Person für alle Empfangenden erreichbar machen soll. Für ein Netz, das der Arbeit und dem arbeitsbezogenen Informationsaustausch dienen soll, ist dies aber problemlos. Wir haben hierzu verschiedene Architekturen andiskutiert, ohne natürlich eine ausgefeilte Lösung präsentieren zu können. Bestehende Netzdienste sind nicht auf diese Architekturen zu ändern, da sie keine sichere Möglichkeit zur Einbindung von Authentifizierungsservern bieten, so daß existente Netzdienste nur die Plattform für die erwähnten neuen Architekturen (als Subnetze) sein können.

Ein solches System arbeitet personenbezogen statt accountbezogen und kann damit auch weltweit dieselbe Konfiguration und Datensicht bieten. Damit bietet es einen wesentlichen Benutzungsvorteil gegenüber Internet, da es ähnlich wie WWW räumliche Distanzen verdeckt. In solchen Vorteilen liegt die Chance, ernsthafte Anwendungen vom Internet/Usenet auf ein solches, ,,verantwortungsbezogenes`` Netz zu verlagern. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer an diesem Dienst wissen um den Personenbezug des Netzes und um die Benutzungskonventionen, die sich daraus ergeben. Die Selbstregulierung, die im Internet mittlerweile zusammenzubrechen droht, kann hier funktionieren, da wirklich alle Beteiligten mit jeder Person des Netzes Kontakt aufnehmen können - die unserer Ansicht nach beste Lösung, um Pornographie (und nicht nur diese) auf quasi null zu reduzieren.

Diese Zusammenstellung ist ein Diskussionspapier und kein Ergebnisprotokoll. Einzelne Meinungen weichen in einzelnen Punkten von dieser Darstellung ab. Beteiligt waren Norbert Schmitz und Markus Hohenhaus (fsfb17@uni-paderborn.de), Loubna Abbas und Dirk Henckels (fsinf@ira.uka.de, Karlsruhe), Martin Schulze und Gernot Lucks (fsinfo@informatik.uni-oldenburg.de) und Nils Magnus (n_magnus@informatik.uni-kl.de).

Interessante Quellen in diesem Zusammenhang sind:[Bearbeiten]

  • von Claudia Henkel, Bigga Rodeck: ,,Computerpornos? Ich wußte gar nicht, daß es so etwas gibt¡`, in: FIFF Kommunikation, irgendwann Frühjahr 1994, S. 45 ff.
  • c't 11/1991, S. 55, auf die der obige Artikel verweist.
  • das FIFF-Plakat gegen Pornos am Computer, zu dem es genauere Infos unter acki@uni-paderborn.de gibt.
  • von Irene Heinen: Nadel im Heuhaufen - Universitäten verbieten News-Gruppen mit vermeintlich sexistischen Inhalten, iX 5/94, S. 140