KIF530:Resolutionen/Teilzeitstudiengang

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Adressat*innen: KMK, HRK

Präambel[Bearbeiten]

In Anerkennung der gesellschaftlichen Verantwortung von Hochschulen, vielfältige Bildungsbiografien zu ermöglichen und den Zugang zur akademischen Bildung auch für Studierende mit eingeschränkten zeitlichen Ressourcen zu gewährleisten, wird festgestellt: Teilzeitstudiengänge stellen ein wichtiges Instrument zur Förderung von Bildungsgerechtigkeit dar. Ihre bloße formale Einrichtung reicht jedoch nicht aus – sie bedürfen einer aktiven und ressourcengestützten Umsetzung.

Teilzeitstudierende verfügen zwar über die notwendige Zeit zur Absolvierung ihres Studiums, sind jedoch häufig aufgrund von beruflicher Tätigkeit, familiären Verpflichtungen (z. B. Kinderbetreuung oder Pflege) oder anderen Gründen in ihrer zeitlichen Planbarkeit besonders eingeschränkt. Im Unterschied zu vielen Vollzeitstudierenden steht ihnen oft weniger Spielraum zur Verfügung, ihre Lern- und Veranstaltungszeiten flexibel zu gestalten. Stattdessen müssen sie ihr Studium an feste und meist unverrückbare Zeitfenster anpassen. Dadurch ist eine gleichwertige Teilnahme am regulären, häufig auf Präsenz ausgerichteten Hochschulbetrieb nur eingeschränkt möglich. Um diesen strukturellen Nachteilen entgegenzuwirken, sind praktische, niedrigschwellige und technisch unterstützte Lösungen erforderlich, die eine flexible und gleichberechtigte Teilhabe auch ohne durchgehende Präsenz zu vorgegebenen Zeiten ermöglichen.

Forderungen[Bearbeiten]

Wir, die 53,0. Konferenz der deutschsprachigen Informatikfachschaften und die 92. Konferenz der deutschsprachigen Mathematikfachschaften, fordern die folgenden Punkte, damit ein Teilzeitstudium auch praktisch studierbar ist.

Forderung 1 – Verbindlicher Ressourceneinsatz[Bearbeiten]

Wenn eine Hochschule oder Universität in einem Studiengang die Möglichkeit eines Teilzeitstudiums anbietet, ist sie verpflichtet, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel und Strukturen aktiv zu nutzen, um ein tatsächliches und chancengleiches Studium in Teilzeit zu ermöglichen.

Forderung 2 – Zugänglichkeit von Lehrinhalten[Bearbeiten]

(1) Lehrende sind verpflichtet, vorhandene schriftliche Materialien (z. B. Vorlesungsskripte, Notizen, Präsentationen, Zusammenfassungen), die Inhalte einer Lehrveranstaltung wiedergeben, in geeigneter Form über die hochschuleigenen Plattformen den Studierenden zur Verfügung zu stellen.

(2) Dies gilt insbesondere dann, wenn solche Materialien ohnehin zur internen Verwendung erstellt wurden.

Forderung 3 – Nutzung audiovisueller Infrastruktur[Bearbeiten]

(1) Verfügt die Hochschule über eine technische und personelle Infrastruktur zur Aufzeichnung von Lehrveranstaltungen (z. B. Videoaufzeichnung, Screencasts, Podcasts), sind Lehrveranstaltungen im Rahmen von Teilzeitstudiengängen nach Möglichkeit aufzuzeichnen und kostenfrei zur Verfügung zu stellen.

(2) Die Aufzeichnungen sind den eingeschriebenen Studierenden zeitnah und für mindestens Dauer der Veranstaltung über eine hochschulinterne Plattform zugänglich zu machen.

(3) Die Hochschule stellt sicher, dass bei der Aufzeichnung von Lehrveranstaltungen keine Studierenden ohne ihre ausdrückliche Zustimmung sichtbar oder hörbar sind. Ebenso trägt sie Sorge dafür, das Persönlichkeitsrecht der lehrenden Person (insbesondere das Recht am eigenen Bild und an der Stimme) zu wahren und in einem transparenten Verfahren zu regeln.

Forderung 4 – Einrichtung einer Anlaufstelle für Teilzeitstudierende[Bearbeiten]

(1) Die Hochschule richtet eine zentrale oder dezentrale Anlaufstelle für Teilzeitstudierende ein (z. B. beim Studiendekanat, Prüfungsamt oder Teilzeitbeauftragten), bei der Studierende Rückmeldung geben können, wenn die in den Forderungen 2 und 3 genannten Maßnahmen nicht umgesetzt werden, obwohl die entsprechenden Ressourcen vorhanden wären.

(2) Die Anlaufstelle dokumentiert diese Fälle, tritt mit den betroffenen Lehrpersonen zeitnah in den Dialog und wirkt aktiv darauf hin, dass die vorhandenen Unterstützungsressourcen zur Anwendung kommen.

(3) Ziel ist nicht die Sanktion, sondern die konstruktive Verbesserung des Studienalltags im Sinne einer gleichberechtigten Teilhabe.

Forderung 5 – Recht auf zeitlich flexible Prüfungs- und Studienleistungen[Bearbeiten]

(1) Teilzeitstudierende haben das Recht, für Prüfungen sowie für Studien- und Prüfungsleistungen, die an feste Termine gebunden sind, einen Antrag auf zeitlich flexible Durchführung oder Abgabe zu stellen. Die Hochschule trägt dafür Sorge, dass entsprechende Anträge unbürokratisch, wohlwollend und mit Blick auf die besonderen Lebensumstände von Teilzeitstudierenden geprüft und ermöglicht werden.

(2) Sofern sich eine Leistung aus didaktischen oder inhaltlichen Gründen nicht in zeitlich flexibler Form erbringen lässt, hat die teilzeitstudierende Person das Anrecht auf die Möglichkeit, eine in Inhalt und Umfang gleichwertige alternative Leistung zu erbringen, die zeitlich flexibel absolvierbar ist. Die Hochschule stellt hierfür geeignete Formate bereit oder entwickelt diese in Abstimmung mit den jeweiligen Lehrenden.

(3) Ziel dieser Regelung ist es, die Chancengleichheit von Teilzeitstudierenden gegenüber Vollzeitstudierenden sicherzustellen und den unterschiedlichen zeitlichen Rahmenbedingungen gerecht zu werden, ohne das fachliche Niveau oder den Kompetenzerwerb der Leistungen zu beeinträchtigen.

Forderung 6 – Einrichtung von Beratungsangeboten für Teilzeitstudierende[Bearbeiten]

(1) Die Hochschule richtet spezifische Beratungsangebote für Teilzeitstudierende ein, die sowohl vor Beginn des Studiums als auch während des Studienverlaufs zur Verfügung stehen.

(2) Diese Beratungsstellen informieren in der Einstiegsphase umfassend über die organisatorischen, rechtlichen und studienrelevanten Besonderheiten eines Teilzeitstudiums und unterstützen Studieninteressierte bei der realistischen Planung und Entscheidung für ein Teilzeitstudium.

(3) Studienbegleitend bieten sie kontinuierliche Unterstützung bei individuellen Herausforderungen im Studienverlauf, etwa bei der Studienorganisation, bei Anträgen auf Flexibilisierung von Prüfungsleistungen oder bei der Inanspruchnahme von Unterstützungsmaßnahmen.

(4) Die Beratung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den Fachbereichen, Prüfungsämtern und ggf. psychosozialen oder studienfinanzierungsbezogenen Beratungsstellen, um eine ganzheitliche Unterstützung sicherzustellen.

Forderung 7 – Abschlussarbeiten im Teilzeitstudium[Bearbeiten]

(1) Die Bearbeitungszeit von Abschlussarbeiten (z. B. Bachelor-, Master- oder Staatsexamensarbeiten) ist bei Teilzeitstudierenden entsprechend dem im Studiengang geltenden Teilzeitfaktor zu verlängern.

(2) Die Verlängerung erfolgt automatisch und ohne zusätzlichen Antrag, sofern der Teilzeitstatus zum Zeitpunkt der Anmeldung der Abschlussarbeit besteht und durch einen Teilzeitnachweis begründet ist. Auf Wunsch der teilzeitstudierenden Person kann dennoch die reguläre Bearbeitungszeit angewendet werden.

(3) Ziel dieser Regelung ist es, eine realistische und faire Bearbeitungsdauer unter Berücksichtigung der eingeschränkten zeitlichen Ressourcen von Teilzeitstudierenden sicherzustellen, ohne den akademischen Anspruch oder die Qualität der Arbeit zu beeinträchtigen.

(4) Wenn der mit der Abschlussarbeit verbundene Arbeitsaufwand (gemessen in ECTS-Punkten) das im Teilzeitstudium pro Semester vorgesehene Leistungspensum überschreitet, ist die Hochschule verpflichtet, die Abschlussarbeit für Teilzeitstudierende als Modul über mehrere Semester anzubieten. Die Anzahl der Semester richtet sich anteilig nach dem im Studiengang definierten Teilzeitfaktor. Beispiel: Beträgt das reguläre Teilzeitpensum 15 ECTS pro Semester und umfasst die Abschlussarbeit 30 ECTS, so ist sie als zweisemestriges Modul zu gestalten. Dies betrifft insbesondere die organisatorische und prüfungsrechtliche Einordnung sowie die anrechenbare Semesterzuordnung. Ziel ist es, Teilzeitstudierenden eine studienplankonforme und realistisch leistbare Integration der Abschlussarbeit in ihren Studienverlauf zu ermöglichen, ohne dass ihnen daraus Nachteile bei der Studienorganisation oder -finanzierung entstehen.

Forderung 8 – Gleichberechtigter Zugang bei Platzvergabeverfahren[Bearbeiten]

(1) Verwendet die Hochschule Losverfahren oder vergleichbare Verfahren zur Verteilung von Plätzen in Seminaren, Übungsgruppen, Praktika oder vergleichbaren Veranstaltungen mit begrenzter Teilnehmendenzahl, so ist sicherzustellen, dass der Teilzeitstatus als gleichwertiger Härtefallgrund oder priorisierungswürdiger Umstand anerkannt wird.

(2) Sofern im Vergabeverfahren sogenannte „Blocker“ [1] oder Wunschzeiten angegeben werden dürfen, haben Teilzeitstudierende das Recht, entsprechend ihres individuellen Teilzeitumfangs eine proportionale Anzahl an Blockern oder Wunschzeiten geltend zu machen. Dies könnte zum Beispiel bedeuten, dass Teilzeitstudierende, die 15 ECTS pro Semester absolvieren, das Recht haben, zwei Blocker anzugeben, wenn Vollzeitstudierende mit 30 ECTS pro Semester einen Blocker angeben dürfen.

(3) Ziel ist es, Teilzeitstudierenden chancengleichen Zugang zu studienrelevanten Veranstaltungen zu ermöglichen und eine Benachteiligung durch formale Zuteilungsverfahren zu vermeiden.

Forderung 9 – Mindest-ECTS-Puffer im Teilzeitstudium[Bearbeiten]

(1) Teilzeitstudierenden muss ermöglicht werden, mehr ECTS pro Semester zu absolvieren, als gemäß ihres Teilzeitfaktors rechnerisch notwendig wären.

(2) Dadurch soll ein Abschluss in Regelstudienzeit ermöglicht werden, auch wenn Module aufgrund ihres Umfangs nicht passend auf den geplanten Teilzeitumfang kombiniert werden können. Ferner soll auch das “Aufholen” nicht bestandener Prüfungsleistungen ermöglicht werden.

Forderung 10 – Evaluation und Weiterentwicklung[Bearbeiten]

Die Hochschule evaluiert regelmäßig die Wirksamkeit der umgesetzten Maßnahmen zur Unterstützung des Teilzeitstudiums und entwickelt sie in Zusammenarbeit mit Studierendenvertretungen und Lehrenden kontinuierlich weiter.

[1]

  1. 1,0 1,1 Blocker Was ist ein “Blocker” in einem Losverfahren? Ein Blocker ist in der Hochschulorganisation ein Begriff aus der Platzvergabe für Veranstaltungen, wie Seminare oder Übungsgruppen. Wenn es mehr Interessierte als Plätze gibt, wird oft ein Losverfahren eingesetzt. Studierende dürfen dabei häufig sogenannte „Blocker“ angeben – also Zeitfenster, in denen sie nicht teilnehmen können, weil sie z. B. bereits andere Veranstaltungen haben, arbeiten müssen oder familiäre Verpflichtungen haben. Das System versucht dann, den Studierenden nur Plätze zuzuteilen, die nicht mit ihren Blockern kollidieren. Blocker sollen helfen, Überschneidungen zu vermeiden und individuelle Lebensrealitäten (wie Berufstätigkeit, Pflege oder Kinderbetreuung) zu berücksichtigen.