KIF475:Resolutionen/Regelungen zur Prüfungsunfähigkeit

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Datei:Symptompflicht.pdf

Vorschlag der MeTaFa für eine einheitliche Resolution über mehrere BuFaTas.

Resolution der KIF dazu: KIF420:Resolutionen/Prüfungsunfähigkeit

Resolution

Die 47,5. Konferenz der deutschsprachigen Informatikfachschaften schließt sich der folgenden Resolution an[1]:

Wir fordern, dass zum Nachweis der krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung über die Prüfungsunfähigkeit akzeptiert wird. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist dabei einer ärztlichen Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung gleichzusetzen.

Sollte das ursprünglich ausgestellte Attest nicht den Ansprüchen des Prüfungsausschusses genügen, obliegt es dem Prüfungsausschuss der jeweiligen Hochschule einen Amtsarzt/eine Amtsärztin hinzuzuziehen. Jedoch sollte auch deren Urteil unter ärztliche Schweigepflicht gestellt sein und nur hinsichtlich der Leistungsminderung und Prüfungsempfehlung ein Urteil abgegeben werden. Die Kosten für den Amtsarzt/die Amtsärztin sind dabei von der Hochschule zu übernehmen, um eine Benachteiligung finanziell schwächer gestellter Studierender zu verhindern.

In keinem Fall dürfen Studierende dazu gezwungen werden, Diagnosen oder Symptome gegenüber der Hochschule offenzulegen und somit medizinisches Fachpersonal von der Schweigepflicht zu entbinden. Dies stellt einen hoch unangemessenen sowie unnötigen Eingriff in die Intimsphäre der betroffenen Person dar.

Ergänzung:

Die 47,5. Konferenz der deutschsprachigen Informatikfachschaften fordert die Bundesländer auf eine gesetzliche Grundlage für Regelungen zur Prüfungsunfähigkeit zu schaffen. Es ist nicht hinnehmbar wenn sich medizinisches Fachpersonal wegen Verletzung von Privatgeheimnissen nach § 203 Strafgesetzbuch strafbar macht[2] weil Prüfungsausschüsse und Prüfungsämter die Offenlegung von Funktionsstörungen, Diagnostik und Symptomen einfordern. "Die Verpflichtung zur Vorlage eines ärztlichen Attests für den Rücktritt von einer Hochschulprüfung greift in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein. Ein solcher Eingriff ist formell nur zu rechtfertigen, wenn der Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen über den Grundrechtseingriff selbst in einem Parlamentsgesetz hinreichend klar und bestimmt trifft"[3].
Hierbei kann das Hochschulgesetz von Nordrhein-Westfalen als positives Beispiel genannt werden. § 63 Absatz 7 Satz 1 regelt: "Für den Nachweis der krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit reicht eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Prüfungsunfähigkeit hin, es sei denn, es bestehen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, die eine Prüfungsfähigkeit als wahrscheinlich annehmen oder einen anderen Nachweis als sachgerecht erscheinen lassen. Bestehen derartige Anhaltspunkte, ist die Hochschule berechtigt, auf ihre Kosten eine ärztliche Bescheinigung einer Vertrauensärztin oder eines Vertrauensarztes der Hochschule zu verlangen; die oder der Studierende muss zwischen mehreren Vertrauensärztinnen oder Vertrauensärzten wählen können. (...)"[4].
Bei offensichtlicher Prüfungsunfähigkeit kann auf ein Attest verzichtet werden. Die Hochschule ist berechtigt gegen Missbrauch tätig zu werden. Die Kostenfrage ist geklärt.

Hinsichtlich der Forderung nach Nennung von Funktionsstörungen, Diagnostik und Symptomen ist der besondere Kontext einer Hochschule zu berücksichtigen. Ziel eines Studiums ist die Befähigung zu wissenschaftlicher oder künstlerischer Arbeit[5]. Die wissenschaftliche Arbeit findet im Regelfall an den Hochschulen statt. Insbesondere sind Karrierewege im wissenschaftlichem Umfeld im Regelfall mit Tätigkeiten und Arbeitsverhältnissen an Hochschulen gleichzusetzen da insbesondere das Promotionsrecht den Hochschulen vorbehalten ist. Dabei ist gerade die Promotion von einer besonders persönlichen Beziehung gekennzeichnet. Somit erfolgt die Offenlegung der Eingangs genannten Aspekte letztendlich gegenüber dem zukünftigen Arbeitgeber, bei wissenschaftlichen Hilfskräften auch jetzigen Arbeitgeber. Dementsprechend ist analog zu regulären Arbeitsverhältnissen eine Benachteiligung hinsichtlich des Rechts auf Berufsfreiheit anzunehmen bei Offenlegung der Eingangs genannten Aspekte. Insgesamt ist der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, und das Recht auf Berufsfreiheit deshalb nicht angemessen, insbesondere da auch mildere Mittel in Frage kämen wie beispielsweise die Zulassung einer Prüfungsabmeldung ohne Attest bis zum Beginn einer Prüfung.

Die Nennung von Funktionsstörungen ist nur bei einem Nachteilsausgleich angemessen. Es liegt im Belieben der einzelnen Person solch einen Nachteilsausgleich zu beantragen und ein adäquater Nachteilsausgleich erfordert die Kenntnis des Nachteils.


  1. Unter der Voraussetzung der vorgenommenen Ersetzung von "Universitäten" zu "Hochschulen"
  2. § 203 Strafgesetzbuch (Verletzung von Privatgeheimnissen), (1), 1 - https://dejure.org/gesetze/StGB/203.html
  3. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags, WD 3 - 3000 - 108/18 "Rücktritt von Hochschulprüfungen wegen Krankheit: Nachweis der Prüfungsunfähigkeit" - https://www.bundestag.de/resource/blob/563742/3fd189aca692429b0716dcb396f5bf43/wd-3-108-18-pdf-data.pdf. Ebenso ergänzend: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags, WD 7 - 3000 - 077/18 "Die ärztliche Schweigepflicht im Hinblick auf die Feststellung von Prüfungsunfähigkeit" - https://www.bundestag.de/resource/blob/557602/618a8590e2236973c0cd2ae13beb0f34/wd-7-077-18-pdf-data.pdf
  4. Landeshochschulgesetz Nordrhein-Westfalen, § 63, dort (7) - https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_detail?sg=0&menu=1&bes_id=28364&anw_nr=2&aufgehoben=N&det_id=440712
  5. Hochschulrahmengesetz, § 7 - https://www.gesetze-im-internet.de/hrg/__7.html


Im Konsens angenommen (Die 47,5. Konferenz der deutschsprachigen Informatikfachschaften schließt sich explizit nicht den Begründungen der gemeinsamen Resolution an.)