KIF410:Good Night Nerd Pride

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Vorabmaterial

good-night_transparent_cc-292x300.png Good night nerd pride (CC-BY-SA)


  • Definition bzw. Selbstdefinition
  • Selbstkritik und Selbstreflexion [1]
  • Geek Social Fallacies [2]
  • Wissenshierarchie, soziale Machtstrukturen [3]
  • "Meritokratie" [4]
  • In- und Exklusion [5]
  • Hackerethik, Leistungsdruck, Anerkennung [6]

Protokoll

  • Stichwortsammlung
    • Elitarismus - Stichwort Comic Sans-Debatte
    • Coolness
    • Reputation ("Nerd Cred")
    • Was ist ein Nerd?
    • Glaubenskriege
    • Abschottung, Ausschluss, Inklusion, "zwanghafte" Inklusion (beliebiger Personen, z.B auch Nazis)
    • "Doocracy" / "Meritocracy"
    • "Them VS Us"
    • Auswege aus dem Noobstatus
    • Abschreckende Außenwirkung
    • Problembewusstsein
    • Unbeabsichtigter Elitarismus
    • Wert eines Menschen an dem festmachen, was er kann / Leistungsdruck
    • Sicht auf Nicht-MINT-Fächer / Akademischer Komplex

Elitarismus - Beispiel Comic Sans

  • Hintergrund: Im Raum hing ein Schild mit Schrift in Comic Sans
  • In Nerdkreisen ist Comic Sans verpönt und Menschen/Beiträge, die es benutzen, werden gern gedisst
  • Generalisierung auf "Technik xy ist schlecht - Dein Beitrag ist schlecht/Du bist schlecht, weil du Technik xy benutzt"
    • Die Debatte wurde sofort inhaltlich bezüglich Comic Sans [1]
    • viele, die das behaupten, wissen nichts über die technologischen Hintergründe, in diesem Falle Typografie, übernehmen und reproduzieren die Wertung unreflektiert
    • Es gibt Technologien, die gering geschätzt werden, z.B. Microsoft Office, und solche, die höher geschätzt werden, z.B. Linux
    • starke Assoziation des Einsatz gering geschätzten Technologien mit Unfähigkeit und schnell gemachtem und mit leidenschaftslosem Einsatz davon ("Nicht-Nerds ist egal, was sie benutzen")
    • Dogmatische Wertungen der Technologien: "Ist das nicht einfach so klar, dass das hässlich ist?" und Unverständnis gegenüber abweichenden Meinungen
    • Missionarischer Eifer
      • kann konstruktiv sein, aber oft auch rechthaberisch, oberflächlich
    • einfacher Weg, sich als Mitglied einer Gruppe zu definieren
    • Abgrenzung zu "Rest der Gesellschaft" ("Get off my lawn/internet!")

Was ist ein Nerd?

  • Es gab sehr viele Wortmeldungen und eine hitzige Diskussion mit der Absicht, eine möglichst komplette und allgemeingültige Definition zu finden, obwohl keine einheitliche Definition nötig war und verschiedene Auffassungen nebeneinander existieren können [2]
  • Es wurden folgende Punkte genannt:
    • Person mit großer intrinsischer Begeisterung für ein Thema und ausgiebiger Beschäftigung damit, ggf. in einem Maße, das für Außenstehende unverständlich ist
      • intrinsische Begeisterung/Motivation = Motivation aus sich selbst heraus, nicht notwendigerweise durch Anerkennung von anderen
      • als Kontrast wurden Fußballfans genannt, die eher "soziales Interesse" am Thema haben
    • Selbstdefinition über eigenes Wissen und Können
    • Informationsfixiert, vermeintlich objektive Sicht
    • Versuchte Unangreifbarkeit durch reines Faktenwissen
    • evtl. Mobbing in der Vergangenheit, aber nicht zwingend
    • gemeinsamer Humor, Insiderwitze
    • Methodische Herangehensweise, oft übertragen auf viele andere Lebensbereiche ("Ich konfiguriere meine Ballettschuhe wie meinen Texteditor.")
    • "eigenes soziales Protokoll", ggf. Schwierigkeit der Kommunikation mit anderen
    • Niemand ist "100%" Nerd, aber viele "ein bisschen", (nur?) gänzlich unpassionierte Menschen sind überhaupt nicht nerdig
    • Die Rolle des Nerds war lange Zeit nicht erstrebenswert, nun schon - Nerds haben nun Macht

Inklusion und Abschottung

  • Ausgrenzung passiert oft über Unverständlichkeit der Gespräche (Fachbegriffe, Abkürzungen, Insiderwitze)
    • Ist das überhaupt vermeidbar?
    • Wissen, das für einen selbst oder eine Gruppe selbstverständlich ist, ist es für andere nicht
    • lange Erklärungen von eigenen selbstverständlichen Grundlagen erfordern Geduld
    • Willen zur Erklärung ist abhängig von Situation, fragender Person und Fragestellung
    • Vermitteln der eigenen Faszination erfordert sehr viel Erklärung
  • Abweisendes Verhalten bei Erklärungen gegenüber "Nicht-Nerds"
    • Demonstrativer Fachbegriffeinsatz anstatt allgemeinverständlicher Erklärung (nicht notwendigerweise absichtlich)
    • Aneignung von Wissen war mühevoll -> Erwartung an andere, sich ebenfalls zu bemühen
  • Nicht-naturwissenschaftliches Wissen scheint für die Allgemeinheit leichter greifbar
    • Werten wir diese Fachrichtungen deshalb geringer?

Auswege aus dem Noobstatus

  • Unterschiedliche Bedeutung des Wortes Noob:
    • Leute, die gern Nerd wären, aber neu sind im Thema
    • Leute, die Technologie benutzen, aber nicht mehr lernen wollen, als sie müssen
    • "Fake Noobs" (Trolle)
  • Noob als abwertende Bezeichnung für Newbie (Neuling)
  • Noobsein ist nachteilig, weil man sozial herabgestuft ist und unter Umständen ausgegrenzt wird
  • "Wie komme ich aus dem Noobstatus heraus?"
    • Harte Arbeit
    • Helfende Menschen
    • Niederschwelligen Einstiegspunkt finden
    • Unmöglich. Irgendjemand ist immer besser. (Jede/r ist relativ zu einer bestimmten Gruppe ein Noob.)
  • Hierarchie von Technologien (siehe oben)
    • Windows < Linux, aber dann trotzdem wieder Ubuntu < Gentoo, Gentoo-User < Kernel-Hacker, ...
    • unnötige Rechtfertigung für Benutzung niedriger gestellter Technologien wird durch soziales Protokoll gefordert
    • Beispielsituation: Person, die "höher gestellte" Tools benutzt, versucht Person mit "niedriger gestellten" Tools zu helfen und kennt sich mit jenen nicht aus, letztere Person entschuldigt sich für die Inkompatibilität
  • charakteristisch: Plattformwechsel durch Zulauf neuer Menschen, die als Noobs wahrgenommen werden
  • Fehler werden ggf. abgestraft, z.B. ausgelacht
    • Nicht jede Person war sozial ein Noob, einige haben sich Wissen "im stillen Kämmerlein" angeeignet
    • Gewünscht: Mehr Nerds, die ihre eigenen Anfängerfehler zugeben und dokumentieren
  • Andere als Noob bezeichnen bedeutet, sich in der Hackordnung höher zu stellen, eigene Unsicherheiten zu kaschieren
  • Leute trauen sich nicht mehr, Fragen zu stellen und werden ggf. darüber ausgegrenzt
  • Anstrengende Endlosdiskussionen, weil Eingestehen des eigenen Falschliegens einer Niederlage gleichkommt
    • Führen zum Zurückziehen aus der Diskussion
    • Die Übriggebliebenen haben das Gefühl, sie hätten durch Argumentation Recht bekommen
    • Wahrnehmung: Rechthaben = Kompetenz = Macht = Rechthaben
      • -> Meritocracy = "Wer etwas weiß/kann, hat die Macht."

Glaubenskriege

  • fachliche Diskussionen/Streits, die "rein formal" geführt werden (d.h. unpersönlich, "akademischer Schlagabtausch")
    • Beispiel: vim VS emacs
    • werden oft als ironisch angesehen, aber von Außenstehenden als ernster wahrgenommen
    • führt zur Abschreckung von Neuankömmlingen (siehe "Noobs")
    • es kann auch passieren, dass eine Streitpartei den Streit nicht als unpersönlich wahrnimmt
    • Außenwirkung wiegt schwerer als Intention

Abschluss

In der Diskussion fiel sehr oft der Begriff "Meme". Eine anwesende Person fragt, was das ist. Drei Hände gehen in die Höhe, vier Personen fangen gleichzeitig an zu erklären. Menschen unterbrechen Definitionsversuche der anderen mit Richtigstellungen. Es wird hitzig versucht, eine allgemeingültige Definition für das Wort zu finden. Ein Teilnehmer drückt der fragenden Person seinen Laptop mit dem Wikipediaartikel in die Hand. Die Diskussion beruhigt sich langsam, man stellt die Ironie der Situation fest und freut sich über das dritte Anschauungsbeispiel im Laufe des AKs.


  1. Dies wurde später als symptomatisch für derartige Diskussionen erkannt - Es ging überhaupt nicht um Comic Sans im Speziellen, aber anwesende Personen hatten trotzdem das starke Bedürfnis, möglichst viele inhaltliche Fakten beizutragen.
  2. Symptomatisch für Nerddiskussionen: Jede/r ist bestrebt, die absolute Wahrheit zu finden bzw. selbst beizutragen.