KIF345:Arbeitskreise/AK Chipkarten/Reader Bremen

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Mit erheblicher Verspätung ist unser Chipkarten-Reader (2. Auflage, Oktober 1999) nun im Internet verfügbar - und (natürlich) nicht im vollen Umfang der Druckausgabe: Hier findet sich zunächst nur das wichtigste, der Text. Die Bilder kommen hoffentlich später noch dazu, ebenso eine .pdf-Fassung. Wer so lange nicht warten mag, oder ohnehin lieber etwas Gedrucktes in den Händen hält, kann die Broschüre beim AStA bestellen.

AStA Uni Bremen (17.01.2000) [1]

Vorwort[Bearbeiten]

Vorwort der 2. Auflage[Bearbeiten]

Die vorliegende 2. Auflage unseres Chipkarten-Readers ist unter großem Zeitdruck zu Beginn des Wintersemesters 1999 entstanden. Er beinhaltet die Texte der 1. Auflage in teilweise überarbeiteter Form. Neu hinzugekommen sind der Artikel „Chipkarten als Instrument der Sozialpolitik" und ein dokumentatorischer Teil auf den hinteren Seiten.

Die 1. Auflage war des Chipkarten-Readers war innerhalb weniger Wochen vergriffen. Mit dieser Neuauflage wollen wir das Material den StudentInnen, insbesondere den Neuankömmlingen an der Uni, wieder zur Verfügung stellen. Andererseits haben wir versucht, auf unser im Vorwort der 1. Auflage formuliertes Vorhaben zurückzukommen, die starke Schwerpunktsetzung auf den Bereich Hochschule um weitere Sichtweisen zu ergänzen. Damit wollen wir einerseits das Interesse an unserer Arbeit bedienen, dass immer wieder auch von ausserhalb der Uni bekundet wird. Andererseits spiegelt sich darin auch der Arbeitsstand der Gruppe wieder: Nach wie vor halten wir die Einführung der digitalen Signaturkarte an den Bremischen Hochschulen (neben der Universität betrifft das Vorhaben inzwischen auch die Hochschulen Bremen und Bremerhaven sowie die in Gründung befindliche, private – wenn auch öffentlich finanzierte – „International University Bremen") für ein weichenstellendes Schlüsselprojekt. Aber bereits aus der Tatsache, dass mit der selben Technologie und Karte zur Zeit die Digitalisierung der gesamten Bremischen Verwaltung begonnen wird, folgt die Notwendigkeit einer thematischen Erweiterung. Das dürfte auch für die inneruniversitäre Auseinandersetzung wertvoll sein.

Die verschiedenen Artikel gehen von teilweise sehr verschiedenen Voraussetzungen und politischen Ansätzen aus. Das entspricht der Zusammensetzung der Gruppen, die diesen Reader erarbeitet und nun überarbeitet haben. Das vorgelegte Material soll gerade auch Anreiz sein, selbst etwas intensiver nach dem Projekt „Chipkarte" zu fragen. Wenn dabei andere Positionen als die hier versammelten herauskommen, würden wir uns freuen, an der Uni und in der Stadt etwas davon mitzubekommen. Wir selbst werden in kommenden Wintersemester an beiden Orten wieder mit Veranstaltungen zum Thema präsent sein.


Vorwort der 1. Auflage[Bearbeiten]

Unmittelbar nachdem die Pläne der Univerwaltung zur Einführung einer Chipkarte – zufällig (siehe Artikel Chipkarte und "Informationen" – eine Chronologie) an der Uni bekannt wurden, haben mehrere Gruppen von StudentInnen begonnen, sich intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen. Zur Zeit besteht unseres Wissens mindestens eine Arbeitsgruppe, die auch diesen Reader erarbeitet hat. Diese AG hat inzwischen den "offiziellen" Status einer AStA-Arbeitsgruppe.

Wir wollen das Thema mit diesem Reader einer breiten studentischen Öffentlichkeit zugänglich machen, und hoffen, daß sich insbesondere in den Studiengängen neue Gruppen bilden, die die Chipkarte interessiert aufgreifen. Bislang konnte die Uni das Projekt relativ ungestört vorantreiben und verbreitete verharmlosende Informationen über den Umfang und die Konsequenzen der Chipkarte. (siehe Interview mit Martin Mehrtens, Leiter des Dezernats 5 (Organisation, EDV, zentrale Dienste), im Bremer Uni Schlüssel Nr. 51, 12/1998, Seite 10)

Für uns geht es nicht nur darum, ob mit die Chipkarte eine neue Dimension der Leidenschaft zum Datensammeln an der Uni einläutet, die im beängstigenden hochschulpolitischen Kontext von mehr Kontrolle und Verschulung steht. Die Chipkarte, die die Bremer Uni einführen will, ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt: Sie soll als "BürgerInnenkarte" die Digitalisierung der gesamten bremischen Verwaltung anstoßen. Alles, was heute mit Papier und Unterschrift geschieht, soll mit der Karte in Zukunft elektronisch über Datennetze abgewickelt werden. Das unterscheidet sie von den Karten, die an anderen Unis bereits existieren, und stellt ein großes Risiko für das Persönlichkeitsrecht und die informationelle Selbstbestimmung dar. Es wird immer undurchsichtiger, welche Daten wo über uns erhoben werden, wer diese Daten weiterverwendet und sie neu verknüpft. Wir finden es erschreckend, daß die Uni dennoch nicht bereit ist, grundlegend über das Thema zu diskutieren. Anläßlich einer Finanzspritze von 20 Mio. DM aus dem media@komm-Wettbewerb (siehe Artikel) muß das Projekt nun vielmehr noch zügiger betrieben werden.

Unsere Arbeitsgruppe kann im AStA über Sven erreicht werden. Sie plant, Mitte des Semesters einen weiteren Reader herauszubringen, der die weitere Entwicklung an der Uni aufgreift und intensiver auf die gesellschaftlichen Zusammenhänge eingeht. Im AStA kann ferner die bisherige Materialsammlung (ein Ordner) eingesehen und kopiert werden. Wir sind an Kontakt zu anderen Gruppen interessiert, halten es aber für wichtig, daß insbesondere in den Studiengängen neue, selbständige Gruppen entstehen, die sich mit der Chipkarte befassen. Möglicherweise kann sich die Mailingliste, die wir zum Thema eingerichtet haben (siehe linke Seite), als gemeinsames Kommunikationsforum bewähren.


Mailingliste[Bearbeiten]

Es gibt eine AStA-Mailingliste zur Diskussion über die Chipkarte. Wenn Du sie abonnieren möchtest, schick eine Mail an majordomo@majordomo.zfn.uni-bremen.de, deren erste Zeile den Text „subscribe chipcard deine@adresse" enthält (ohne Anführungszeichen, eigene email-Adresse einsetzen).


Die digitale Signatur[Bearbeiten]

Die digitale Signatur ist ein wesentlicher Schritt zur Abwicklung rechtsverbindlicher Geschäfte und Verwaltungsgänge über das Internet. Sie soll die handschriftliche Unterschrift ersetzen. Sie soll die optimale Verschlüsselung bieten und damit den personenbezogenen Datenschutz garantieren.

Eine neue Karte der Sparkasse soll im Jahr 2002 die Geldkartenfunktion und die Signaturfunktion verbinden. Zur Anpassung aller kleinen Rechtsvorschriften (ca. 380), die bei Behördenkontakt eine eigenhändige Unterschrift verlangen, schlugen die VerdatungsingenieurInnen vor, das übergeordnete Bundessignaturgesetz zu ändern. Das Bundesjustizministerium hat im Juni 1999 einen solchen Gesetzentwurf an interessierte Verbände und Karteninstallateure geschickt und um Bemerkungen gebeten. In diesem Entwurf ist bereits die Anpassung von über 20 Gesetzen formuliert.


Abgekartetes Spiel - KIF-Reader zu Chipkarten[Bearbeiten]

Über den Stand der Kartenprojekte vor 4 Jahren und ihre – weiterhin aktuellen – Auswirkungen informiert die Broschüre „Abgekartetes Spiel – Wie Chipkarten den Hochschulalltag verändern", die vom Arbeitskreis Chipkarten der 23,5ten KIF (Konferenz der Informatik-Fachschaften) erarbeitet und vom Fachschaftsrat Informatik der TH Darmstadt herausgegeben wurde.

Die Broschüre ist als Kopie im AStA der Uni Bremen erhältlich. Die elektronische Version im WWW ist leider nicht mehr unter der alten Adresse (http://www.igd.fhg.de/~kumpf/AKCK) verfügbar. Wen Du weißt, wo sie jetzt im WWW zu finden ist, würden wir uns über einen Hinweis freuen.

Seit der KIF in Bremen wissen wir auch wieder die Adresse des KIF-Readers.

Wie Chipkarten den Hochschulalltag verändern[Bearbeiten]

Intro[Bearbeiten]

In Bremen wird seit einiger Zeit die Einführung einer multifunktionalen Chipkarte geplant und daran entwickelt. Nachdem die Stadt Bremen neben Nürnberg und Esslingen im März 1999 den bundesweiten Wettbewerb Media@komm gewonnen hat, nimmt die Einführung einer multifunktionalen Chipkarte an der Uni konkrete Formen an: als erstes wird Ende Januar 2000 mit der Eröffnung der neuen Uni-Mensa die Mensakarte eingeführt, die die alten Essenmarken ablöst und mittelfristig auch das Bargeld ersetzen soll. Die spätere Integration in die universelle Uni-Chipkarte ist bereits fest geplant. Parallel dazu gibt es seit Juli 1999 die Geldkarte mit elektronischer BSAG-Ticketfunktion. Die Sparkasse hat im Juni eine neue EC Karte ausgegeben, die einen multifunktionalen Chip trägt, auf dem viele weitere Anwendungen integriert werden können. "Mit diesem Chip sind Sie für die Zukunft bestens gerüstet", lautet die Mitteilung der Sparkasse. Wenn mensch sich also für die Zukunft ausrüsten muß, dann schauen wir doch mal dahinter, was sich hinter diesen Teilschritten einzelner Chipkarten verbirgt. Wie beim Chipkartenprojekt an der Uni, so erfährt mensch auch bei der Sparkasse nur auf hartnäckige eigene Anfrage genaueres über technische Details, den Planungsstand der Umsetzung oder welche Anwendungen im einzelnen wie integriert werden sollen.

Die Uni-Chipkarte ist zum einen ein großer Feldversuch, mit dem Erfahrungen gemacht werden sollen, die bisher noch fehlen. Diese Versuche sind mit der als recht homogen und problemlos eingeschätzten Gruppe der Studierenden vergleichsweise einfach durchzuführen, die Akzeptanz und der Umgang mit neuen Technologien ist bei denen viel größer als in der Gesamtbevölkerung. Zum anderen ist die Uni überhaupt ein Trumpf des Bremer Modells, da sich dadurch viel mehr Funktionen und AnwenderInnen einbeziehen lassen, ein Kernpunkt der Wettbewerbskriterien. Und nicht zuletzt ist das Technologiezentrum Informatik (tzi) maßgeblich an der Gestaltung beteiligt; hier gibt es auch das technische Know How.

Insgesamt ein groß angelegtes Projekt. Die Studis erfuhren rein zufällig davon, als die Chipkarte in einer Veranstaltung zur Ankündigung der neuen LPO in einer Bemerkung als das Mittel angeführt wurde, mit dem die Überprüfung der vorgeschriebenen 160 SWS praktisch endlich durchführbar sei. Die Verwaltung versuchte zwischenzeitlich zum einen Verwirrung zu stiften, indem sie sogar irgendwann die konkrete Planung einer Karte überhaupt dementierte, zum anderen wirbt sie damit, wie bequem das alles doch sei, wobei hinter diesen banalen (und gar nicht so richtigen) Argumenten die Substanz verloren geht. Die Argumentation der Uni wird an anderer Stelle betrachtet, hier soll grob angerissen werden, wie Chipkarten den Hochschulalltag verändern können, welche Möglichkeiten sie im Kontext der aktuellen hochschulpolitischen Manöver (BremHG) eröffnen, sowie die erstmals dadurch hergestellte Verbindung zwischen Studisekretariat und den Prüfungsämtern.

Ob mit Senf oder mit Catch Up – der Fortschritt ißt immer mit![Bearbeiten]

„Ein Essen [bzw. Leben] ohne elektronische Karten ist heute nicht mehr möglich"„Und wer will kann die Mensakarte verwenden" (Titel des Bremer Uni Schlüssel Nr. 54)

Mit der Eröffnung der neuen Mensa wird Ende Januar vielleicht die Art der kulinarischen Erbauung, hoffentlich nicht die Art der Leerung des Geldbeutels, doch wahrscheinlich die Art der Essensbeschaffung revolutioniert. Mit einer elektronischen Karte sollen wir unser Essen bezahlen. Die Entscheidung für diese Karte wird noch eine Zeit lang freiwillig sein. Mit der nächsten Integrationsstufe der Chipkarte wird dann die momentan noch unausgegorene Registrierung, beim Kauf der Karte wird die Matrikelnummer notiert, durch eine Personenbindung ersetzt. Diejenigen, die zufällig nicht mehr studieren oder nur so aussehen als ob, würden dann beim Essenkauf in Schwierigkeiten geraten. Bisher war das nicht immer so klar, wer wie intensiv studiert und ab wann mensch das Studium abgebrochen hat oder wann er oder sie damit wieder angefangen hat. Jetzt soll jedenfalls mit allen Unklarheiten aufgeräumt werden.

Wir hätten es früher auch für lächerlich gehalten, das Mensaessen an der Universität zum Thema zu machen. Diejenigen, denen es nicht schmeckte, die gingen eben nicht hin. Heute geht es aber um jeden Zentimeter öffentlichen Raum, jede DM Subvention und jede Minute Gesprächszeit. Warum eigentlich? Wir sind doch ein reiches Land. Und wenn wir („WIR"?) uns die Subventionierung des Essens von Aufsteigern und späteren Professoren leisten können, warum können dann nicht auch ein paar andere mitessen?

Leistungskontrolle und Überwachung durch Studikarten[Bearbeiten]

Mit der Bremer Uni-Chipkarte wird der lückenlose Nachweis von Semesterwochenstunden für alle StudentInnen angestrebt. Das wird zum Problem für Leute, die arbeiten oder Kinder versorgen müssen oder zeitaufwendige Gremienarbeit oder politische Arbeit machen, denn sie können keine 20 Stunden pro Woche in Veranstaltungen sitzen. Der soziale Numerus Clausus, der wegen der mangelnden Studienfinanzierung bereits existiert, wird weiter verschärft, besonders wenn Studiengebühren eingeführt werden (wie es das neue Bremische Hochschulgesetz ermöglichen soll) und solange es keine brauchbaren Regelungen zum Teilzeitstudium gibt. Es gibt aber auch StudentInnen, die einfach keine 20 SWS pro Semester für ihr Fachstudium absitzen wollen, sondern vielleicht nur 10, weil sie stattdessen lieber Veranstaltungen anderer Fachrichtungen belegen, in denen sie eine sinnvolle interdisziplinäre Ergänzung ihres Bildungslebenslaufes sehen (der Studiumsbegriff wäre hier wie der Arbeitsbegriff eine gute Diskussion wert!). Egal welche konkrete Situation bei den einzelnen zutrifft – zeitlich und inhaltlich selbstbestimmtes Studieren wird immer weniger möglich.

Ein mit dem Nachweis verbundenes Studienlogbuch hält den Bildungslebenslauf elektronisch fest. Da taucht auch der Gedanke auf, der Zugriff auf Daten durch eventuelle spätere ArbeitgeberInnen könnte durch die Einzelnen nicht nachvollzogen oder verhindert werden und es würde dann wenig nützen, den Lebenslauf für die Bewerbung noch selbst zu schreiben. Das neue BremHG soll die Hochschulangehörigen zu Herausgabe personenbezogener Daten verpflichten – auch solcher, die der Beurteilung des Ablaufs von Studium und Prüfungen dienen, und auch gegen den Willen der Betroffenen.

Die statistische Kontrolle der TeilnehmerInnenzahlen von Veranstaltungen kann zur Quantifizierung der Bewertung von Veranstaltungen führen. Im Sinne der „Effektivierung" der Universität würden so Argumente geliefert, einige gute aber wenig besuchte, weil „nicht-mainstreamartige" Veranstaltungen wegzurationalisieren und dafür Profs für gut besuchte Veranstaltungen besser zu bezahlen. Auch die Motivation, solche Veranstaltungen anzubieten, würde dann geschwächt und die professorale Tendenz, die eigenen Veranstaltungen zu Pflichtveranstaltungen zu machen, gestärkt. Konkrete Vorschläge für leistungsbezogene Bezahlung von ProfessorInnen gibt es bereits, in Bremen z. B. die Idee des „Annatalers", bei dem die ProfessorInnen einen Teil ihres Gehaltes indirekt durch Eintrittszahlungen der StudentInnen erhalten.

Eine Uni-Chipkarte, die Anwesenheit und Leistung mißt oder rekonstruierbar macht, sperrt Nicht-Studis aus der Uni aus, z.B. aus der Mensa und aus Veranstaltungsräumen. In einem entsprechend angelegten System trifft dies auch Studierende, die eine betreffende Veranstaltung nicht gebucht oder nicht bezahlt haben. Die Universität entfernt sich so noch weiter von ihrer Aufgabe, allen Menschen den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Außerdem ist es relativ einfach, wechselseitige Sperren in das System einzubauen, so daß auch ein „Verleihen" der Karte nicht möglich ist. An manchen Universitäten mit Mensakarte gibt es nur ein Essen pro Tag, mit dem Argument, den „Mißbrauch" von Sozialleistungen wie billigem Essen zu verhindern. Abgesehen davon, daß sich der Appetit pro Person eben nicht standardisieren läßt, kann die Karte aber auch im Studi-Alltag mit der ganz normalen „Schlamperei" und Vergeßlichkeit sehr unpraktisch sein. Da ist dann wieder mal Selbstdisziplinierung vonnöten, um Nachteile zu vermeiden.

Wirkungen auf das Studium[Bearbeiten]

Anhand der Liste der möglichen Funktionen wird überhaupt erst klar, wie viele verschiedene Daten hinterlassen und digital verknüpfbar sein werden. Natürlich werden nicht alle Funktionen gleich umgesetzt, das würde zu großen Protest erzeugen; „zunächst auf wenige störungsfreie und attraktive Funktionen begrenzen" heißt es dazu (s. Dokumentation). Die Multi-Chipkartenherstellung fängt dabei gerade erst richtig an, der Glaube in der Informatik- und anderen Branchen ist, daß ihnen eine glänzende Zukunft bevorsteht, irgendwann werden wir „außer sämtlichen Geschäftsvorgängen die meisten Alltagsdinge über Datennetze abwickeln" (Süddeutsche Zeitung Nr. 60, 13./14.3.99, Gespräch mit Chipkarten-Entwickler Ulrich Hamann, sehr lesenswert). Insofern wird klar, das alle auf dieser Beschreibung stehenden Anwendungen, um immer neuere ergänzt, früher oder später durchgeführt werden.

Die Einführung der Karte muß vor dem Hintergrund der aktuellen hochschulpolitischen Realität und ihrer Tendenzen betrachtet werden. Viele umstrittene bildungsplanerische Ziele konnten bisher nicht und können mit einer multifunktionalen Chipkarte überhaupt erst durchgeführt werden. Sodann ermöglicht die neue technologische Kapazität – vor allem die Geschwindigkeit der Informationsübertragung und Zusammenschau – erst die Anwendung neuer Leistungsmaßstäbe.

Wenn also nach einer straffen Uni- und Studiumsorganisation gefragt wird, zum anderem die Anmeldung zu Veranstaltungen und Klausuren, der Zugang zu Veranstaltungsräumen sowie Studienlogbücher/Anwesenheitskontrollen über die Chipkarte laufen, sind es denkbare Konsequenzen, daß nur diejenigen, die sich zur Klausur angemeldet haben, auch in die Veranstaltung reingelassen werden, interdisziplinäres Lernen kann zur Ressourceneinsparung einfach verhindert werden, Anwesenheitskontrollen können Menschen vor der Prüfung schon aussieben... Zwangsberatungen und Sanktionen können viel einfacher durchgeführt werden, sogar die geringe Teilnahme an Veranstaltungen trotz erfolgreichen Klausuren kann eine Rolle spielen.

Des weiteren unterliegen die Lehrenden auch einer starken Kontrolle. Diese kann auch zu Evaluationszwecken benutzt werden, um die Uni wirtschaftlicher zu organisieren. Es können wenig besuchte Veranstaltungen abgeschafft werden und andere, nach bestimmter Auswertung der erhobenen Daten, erzwungen werden. Mit der Karte lassen sich auch ziemlich reibungslos und unproblematisch Studiengebühren einführen. Boykottaktionen wie Anfang des Sommersemesters in Niedersachsen wären kaum noch denkbar, wenn die Karte erst den Zugang zur Uni regelt. Schließlich ist es suspekt, daß die Lebensdauer solcher Studikarten ohne technischen Grund oft auf 4 Jahre beschränkt bleibt; ist hier wohl die Verkürzung von Studienzeiten angestrebt?

Hochschulautonomie[Bearbeiten]

  1. Die neuen Hochschulgesetze (Hochschulrahmengesetz, HRG, und Bremisches Hochschulgesetz, BremHG) haben die Hochschulautonomie insofern erweitert, daß das Rektorat nun wesentlich freier über den Etat verfügen kann. Damit will der Staat Wettbewerb und Konkurrenz unter den Hochschulen initiieren. Die Steigerung der jährlichen AbsolventInnenzahl, insbesondere solcher mit sehr gutem Abschluß, und die Verkürzung der Studiendauer ("Output-Steigerung") liegt daher im Interesse jeder Hochschulleitung.
  2. So wirklich autonom waren Hochschulen ja nie, und ob sie das durch das neue BremHG geworden sind, sei dahingestellt. Auf jeden Fall beinhaltet dieses Wort, daß es an der jeweiligen Hochschule liegt, wie ihre Lehre und ihr Betrieb funktionieren oder wie die Prüfungsverfahren und Prüfungen aussehen. Durch den Einsatz einer oder mehrerer kompatibler Karten bundesweit oder auch nur in Bremen können standardisierte Verfahren forciert werden; das ist zum einem eine logische Konsequenz dieser Technologie und zum anderem sind vergleichbare Prüfungen und Abschlüsse sowieso im Gespräch und mit Mitteln wie Credit Points schon in der Umsetzung. Das bekräftigt auch ein Blick nach Holland, wo eine einzige halbstaatliche Firma, die IBG, über die Daten aller Schülerinnen, StudentInnen und Angestellten im Bildungssektor verfügt, 1996 insgesamt 2 Mio. Menschen. Zusammen mit den politischen Verstrickungen verleiht dies der IBG eine enorme Machtposition.
  3. Abhängig werden Hochschulen auch einfach dadurch, daß die Kartentechnologie eben sehr speziell ist und wenig Anbieter hat. Die Firmen können mitbestimmen, was die Karten für Funktionen haben werden, indem sie z.B. bestimmte Vorschläge aus der Verwaltung, die sich für sie nicht rentieren, als unrealistisch einschätzen und somit abblocken, während sie ihre Alternativvorschläge unterbreiten. Wer auf jeden Fall nicht mitentscheidet, das sind die Studis und die Profs. Speziell in Bremen hat der Akademische Senat (oder auch der AStA) praktisch keinerlei Einfluß auf die Frage, ob und wie eine solche Karte eingeführt wird.

Soziale Folgen bei Studis[Bearbeiten]

Das Bafög soll ja auch an die Chipkarte gekoppelt werden. Hierbei besteht die Gefahr, daß es, wie auch andere Stipendien, stark leistungsorientierter vergeben wird. In Holland schon längst Realität. Im Zusammenhang mit Anwesenheitskontrollen (wer muß denn bitte schön jobben?), Prüfungsergebnissen und Semesterwochenstunden sowie mit der Einfachheit, mit der diese Daten digital ausgewertet werden können, ermöglicht das neue Möglichkeiten und Kriterien... Es wäre sogar recht einfach, über ein Programm diese Daten Semester für Semester auszuwerten, statt wie bisher einmal im Studienverlauf. Das würde die finanzielle Not vieler Studierender verschärfen.

Die standardisierten Abläufe, auf die ein Kartensystem zwangsweise angewiesen ist, könnten weder Härtefälle noch sonstige Ausnahmefälle handhaben. Somit sind Probleme und „unrechtes" Verhalten gegenüber solchen Personen vorprogrammiert. Überhaupt reduziert die Karte alle ihre Anwendungsgebiete auf eine bestimmte Norm, das heißt die BenutzerInnen müssen diese Funktionen darauf anpassen, was bei immer zunehmenden Funktionen auch im privaten Bereich die Einschränkung auf die von der Karte vorgesehenen Alternativen bedeutet.

Die Uni-Atmosphäre würde sich auch verändern. Während heutzutage die Sicherheit in der Uni trotz der und eben durch eine einigermaßen weitgehenden Offenheit gewährleistet wird, sollen jetzt eine Sicherheitsparanoia und der Zwang alles abzuriegeln und zu kontrollieren verbreitet werden. Schließlich ist es auch eine Überlegung wert, was wohl passiert, wenn die Karte abhanden kommt, Zuhause vergessen wird oder einfach im Fall eines Stromausfalles. Alle Sachen, die jetzt so selbstverständlich passieren, wie Türen öffnen, in der Mensa essen, ja ins eigene Zimmer im StudentInnenwohnheit reinzukommen wären unmöglich.

Soziale Folgen für das Personal[Bearbeiten]

Für das Verwaltungspersonal ändert sich die Arbeitsgrundlage. Viele der Funktionen, die früher durch Menschen erledigt wurden, soll die Chipkarte übernehmen. Dadurch sind für die Verwaltungsarbeit keine Qualifikationen notwendig. Konsequenzen davon sind Lohnminderung und/oder Arbeitsplätzeabbau. Der Zynismus dabei: welche Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren, könnte auch durch die dank der Chipkarte gesammelten Daten über die erbrachte Leistung entschieden werden. Des weiteren wird deren Arbeit viel mehr an das Büro gebunden, der Kontakt mit Studis würde prinzipiell entfallen. Diesen Frust würden Hardware- oder Softwareprobleme nur noch erhöhen.

Chipkarten und Lesegeräte können natürlich auch nicht alles ersetzen. Die Information, die ein Mensch geben kann, sowie die eventuellen Probleme, die er/sie im Gespräch klären kann, werden immer noch notwendig sein. Bleibt abzuwarten, wie das geregelt wird. Zudem muß auch noch Personal für die Wartung der Maschinen bereitgestellt werden – Rechtfertigung, um woanders welches abzubauen?

Allgemeinere Folgen[Bearbeiten]

Dadurch, daß jede getätigte Aktion Datenspuren hinterläßt und durch deren digitale Verknüpfung können detaillierte Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile erstellt werden, ohne das Wissen oder die Beteiligung der "Überwachten". Ganz allgemein gilt hier, daß wer immer über dermaßen differenzierte Informationen über eine Person verfügt, auch potentielle Macht über sie erlangt. Des weiteren sollte es jedem Menschen einfach stinken, wenn jemand sonst über bestimmte Daten konkrete Informationen über sein/ihr persönliches Leben ermitteln kann. An potentielle Folgen sei zu denken, jeder Mensch hat seine/ihre persönlichen Nischen gefunden... Diese Profile können auch genutzt werden um Sachen wie Vandalismus, aber auch unliebsame politische Aktivitäten wie Streiks und ähnliches, zu untersuchen.

Für die Wirtschaft sind solche Daten natürlich auch spannend: Das VerbraucherInnenverhalten kann anhand dieser analysiert werden, spannend für jede Art von Marktforschung, Banken wären interessiert daran, um beispielsweise die Kreditwürdigkeit einer Person zu analysieren, Versicherungen u.v.a.m. Insbesondere ArbeitgeberInnen könnten sie bewerten, um ihre zukünftige (Mit-)ArbeiterInnen zu rekrutieren.

Für Verwaltungsorgane wären die Daten sinnvoll, um den Bestand bestimmter Materialien nach Bedarf zu regeln, gleichzeitig verbirgt sich hier die Kehrseite, daß hauptsächlich gefragte oder marktwirtschaftlich orientierte Inhalte oder Materialien auf Kosten anderer bezogen werden. Durch die Raumkontrolle, die diese erzwingen, können (und werden irgendwann) auch so absurde Situationen entstehen, daß Leute, ob Studis oder nicht, irgendwann nicht mehr einfach in einen Raum kommen können, um jemanden aufzufinden oder zu besuchen. Uniräume und Mensa könnten für derzeit noch einigermaßen geduldete nicht-Studis gesperrt werden. Schließlich ist ausdrücklich erwünscht, die ersten erhobenen Daten auch zu Zwecken der Akzeptanzforschung und diverser anderer Untersuchungen zu benutzen.

Technologie des multifunktionalen umprogrammierbaren Chips[Bearbeiten]

Was sind Chipkarten? Die Telefonkarten, so viel sei gesagt, sind Plastikkarten, deren Chip Informationen enthält, die nicht anders als durch Leerung geändert werden können (Read Only Memory). Zugleich kann die Telefonkarte nur eine Funktion erfüllen. Und, das ist uns wichtig: sie ist nicht personengebunden. Die Uni- oder StudiCard wird von alle dem das Gegenteil sein. Personenbezogene umprogrammierbare Chips gelten als intelligent und flexibel (wiederbeschreibbar), aber auch als sehr anhänglich: sie binden sich an den oder die TrägerIn und speichern veränderliche Informationen über verschiedene Anwendungen.

Eine technische Steigerung ist die einerseits personengebundene, andererseits völlig kontaktlose Chipkarte: sie möchte überhaupt nicht mehr in Lesegeräte gesteckt werden, die verstopfen sowieso (beim Einsteigen in den Bus wie beim Essen in der Fütterungsanstalt wie an der Ausleihe der UB). Sie zieht es vor im Vorbeigehen erkannt zu werden. Schuld daran wird sein eine kleine Antenne, die in die Plastikkarte rundherum eingeschweißt ist. Sie wird auf hoher Frequenz über Funk von den Induktionsschleifen empfangen. Kontaktlose Chipkarten mit Funkinduktionsantennen werden in allen Veröffentlichungen als vandalismus- und störungssicher gepriesen. Sie müssen nur noch vor einen Automat gehalten werden, so die Utopie der Hersteller. Leider - bzw. zum Glück sind die zur Zeit noch recht teuer.

Beiden Kartentypen ist eine verschlüsselte Datenkombination eigen, die die Person eindeutig identifizieren muß. Der letzte Schrei ist das asymmetrische Verschlüsselungsverfahren, das aus zwei Codes besteht: einem öffentlichen, der auch Behörden bekannt ist, und einem privaten, den nur die BenutzerInnen kennen. Beide Codes müssen von einem sog. „Trust-Center" zertifiziert, d.h. ausgegeben werden. Die ganze Diskussion um die optimale Verschlüsselung rankt sich also im wesentlichen um die Zuordnung von Zugangsrechten und Zugangsschranken, die die Karte regelt.

Diese Plastikkarten sind derzeit in Europa wie in den USA der größte Wachstumsmarkt (s. Schaubild), was verwundert, denn ihren Ursprung hat diese Technologie eigentlich in der militärischen und polizeilichen Sicherheitstechnik bzw. im Werkschutz. Kontaktlose Funkerkennungskarten (Radio Frequency IDentification) sind bisher v.a. in hochsensiblen technischen Anlagen wie Atomkraftwerken oder in der chemischen und Genetik-Industrie verbreitet. Den über Funk erkannten Chip nennt mensch auch Transponder und dieser ist in Träger beliebigen Formats implantierbar und damit noch vielen weiteren Verwendungen zugänglich: so gibt es Transponder an einer Armbanduhr (als Zugangskontrolle), am Schuh (zur Zeitmessung im Sport), an der Mülltonne (Preis gegen Müllmenge), als Transponderhalsband in der Tierverarbeitungsindustrie, bei Skilifts, Süßigkeitenautomaten u.a. „Die personenbezogene Müllerfassung belohnt so zum einen Haushalte für Müllvermeidung, andererseits sind die Sozialbehörden berechtigt diese Daten abzurufen, um zu kontrollieren wie viele Personen in einem Haus wohnen (womit wir wieder bei der Bekämpfung des „Sozialleistungsmißbrauchs" angelangt wären)".

Wie das Schaubild des Karteningenieurs Störmer zeigt, hielt Siemens bis vor kurzem der größten Marktanteile in Deutschland.

Die Ingenieure der Datenvernetzung in Bremen[Bearbeiten]

Das Technologiezentrum Informatik (TZI) der Uni Bremen ist federführend bei der Entwicklung der multifunktionalen Chipkarte und arbeitet, nach dem die Stadt den Media@komm-Wettbewerb gewonnen hat, am Aufbau der Firma Online Services GmbH. Das Preisgeld betrug 20 Millionen Mark. Beteiligt daran sind neben dem TZI die Sparkasse Bremen, die Telekom, Eutelis Consult, die VSS (Gesellschaft für Beratung, Projektmanagement und Informationstechnologien) und die Hansestadt Bremen, die mit der Karte zugleich die Funktionen eines „elektronischen Bürgeramtes" integrieren will. Daneben sind viele andere Privatfirmen angefragt oder haben ihre Teilnahme bereits zugesagt. Die Privatfirmen wollen sich insgesamt mit weiteren 20 Mill. DM beteiligen. Im TZI sind an der Konzeption der BürgerInnenkarte wie der Uni-Chipkarte beteiligt Prof. Herbert Kubicek, Martin Hagen (verantwortlich für den Aufbau von Bremen Online Services), für die Verwaltung der Uni Christina Vocke (im Dezernat 6), für Eutelis Consult Stephan Klein und für das Land Bremen Gisela Schwellach.

media@komm - das imperium sattelt auf[Bearbeiten]

Insgesamt 139 Gemeinden bewarben sich um die media@komm-Fördermittel des Bundesministeriums. Aus diesem Feld wurden am 10. März 1999 die Konzepte der Städte Esslingen, Nürnberg und Bremen ausgezeichnet. Höchstwahrscheinlich hat die Beteiligung der Uni erst den Erfolg der Bremer Bewerbung ermöglicht. Unerfreulicherweise ist das Bremer Projekt wegen des Piloteinsatzes der Digitalen Signatur für den Transfer in andere Regionen prädestiniert. Was an der Bremer Uni passiert, hat daher direkte Folgen für die Entwicklung an anderen Hochschulen. Ein Grund mehr, sich detailliert mit den Planungen auseinanderzusetzen und sich bewußt mit der eigenen Rolle in diesem System zu beschäftigen.

Die Planungen der Einführung einer Chipkarte an der Universität sind älter als die in diesem Reader beschriebenen Bemühungen und beschränken sich nicht auf sie. Der Uni-Kanzler, Gerd-Rüdiger Kück, ist als ausgesprochener Protagonist der Dienstleistungsuni1 bekannt, im Rahmen des Mensaneubaus wurde die Umstellung auf ein Geldkartensystem allgemein als obligatorisch angesehen und die Bibliothek hat erst kürzlich neue Karten für ihre NutzerInnen ausgegeben. Es lag gewissermaßen auf der Hand, diese Funktionen auf einer Karte zu integrieren und das Anwendungsspektrum bei dieser Gelegenheit um einige unverdächtige Funktionen zu erweitern. An anderen deutschen Unis waren bereits Kartensysteme installiert, die zusätzlich für die Rückmeldung, die Anmeldung und Kontrolle von Veranstaltungen und Prüfungen, das Abfragen von Ergebnissen, als Raumzugangskontrolle und Fahrausweis eingesetzt werden. Als integrative Koordinatorin im Hintergrund tritt die „Hochschul-Informations-System GmbH" (http://www.his.de) auf. Diese 1969 von der Stiftung Volkswagenwerk gegründete Gesellschaft nimmt heute eine Monopolstellung für Softwarelösungen im Hochschulbereich ein, die ihr eine enorme politische Bedeutung verleiht.2

Utopiephase[Bearbeiten]

Der zunehmende Chipkarteneinsatz hat an deutschen Hochschulen auch bislang schon zu berechtigtem Unmut und zu Kritik von Studis, Profs und DatenschützerInnen geführt. Ungeachtet dessen haben die Pläne für die Bremer Uni-Karte im Frühjahr 1998 starken Auftrieb erhalten. Zu diesem Zeitpunkt rief der damalige Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Jürgen Rüttgers, den bundesweiten Wettbewerb media@komm aus, um die „Verbreitung der Digitalen Signatur"3 zu fördern. Für die drei siegreichen Bewerbungen wurden jeweils 20 Mio. DM Fördermittel bereitgestellt. Für dieses Geld interessierte sich selbstverständlich auch die Stadt Bremen, zumal die Uni mit dem Technologiezentrum Informatik (TZI) ein Institut beherbergt, das mit dem Bremer Stadtinformationssystem im Internet (http://www.bremen.de), einer Vorstufe der digitalen Verwaltung, bereits ein bundesweites Modellprojekt betreut hat und die Drittmittelförderung erfolgreich umzusetzen verspräche.

Die Ausschreibung zu media@komm ließ erkennen, daß Bewerbungen mit großer Breitenwirkung besonders erfolgversprechend seien. Daraufhin wurden in Bremen

"…Anliegen gesucht, die möglichst oft vorkommen, möglichst viele Kund[Inn]en betreffen, vor allem unter denen, die mit Technikbenutzung vertraut sind, die möglichst einfach, also auch online zu bewerkstelligen sind, die in bestehende DV-Verfahren integriert werden können, usw." (aus: Vision Online-Verwaltung in Bremen)

Diese Beschreibungen lassen eine Beteiligung der Uni am Projekt fast schon zwingend erscheinen: Die StudentInnen bilden eine große, homogene Personengruppe, die technischen Neuerungen im allgemeinen offen und positiv gegenübersteht. Sie nehmen regelmäßig und in einem räumlich leicht überschaubaren Zusammenhang Verwaltungsleistungen in Anspruch (etwa Rückmeldungen, Prüfungsanmeldungen, Bibliotheks-Leihvorgänge und BAföG-Anträge), und die Verwaltung benutzt für ihre Aufgaben die branchenübliche HIS-Software.

Der Kanzler bekräftigte in einem Schreiben vom 24.11.98 die Absicht der Universität, sich für das Projekt media@komm zu engagieren. Obwohl der AStA zu diesem Zeitpunkt bereits nachdrücklich Kritik an dem Projekt geäußert hatte, verspricht Kück darin:

"Die Universität Bremen wird mit all ihren Angehörigen, insbesondere den Studierenden, ein kooperatives Konzept entwickeln, … auf dessen Basis das Projekt vorangetrieben werden kann."

Die Einführung der Chipkarte war also für die Verwaltung bereits beschlossene Sache, und die Beteiligung der betroffenen StudentInnen sollte sich allenfalls auf die konkrete Ausgestaltung der Karte beschränken4.

Diese Haltung wird nachvollziehbar, wenn wir uns die Bedeutung der Universität für den Erfolg des Projekts media@komm in Bremen vergegenwärtigen: Für die Umstellung der Verwaltung und die Bereitstellung der technischen Infrastruktur sind immense Investitionen erforderlich. Die angestrebte Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft kann daher nur gelingen, wenn zügig eine große Zahl von AnwenderInnen für den Einsatz der Chipkarte gewonnen werden kann, die den beteiligten Unternehmen durch den Einsatz der Karte auf Dauer Gewinne bescheren. Die Projektleitung rechnet bis Mitte 2002 mit 30.000 eingesetzten Chipkarten. (Weser Kurier vom 13.03.1999, „Werden wichtige Schriftstücke bald per Computer signiert?") Davon sollen sich indes der Löwenanteil in den Portemonnaies von Bremer StudentInnen befinden, denn die Projektleitung will alle Bremer Hochschulen in das Vorhaben einbinden. Damit verbindet sich die Hoffnung, daß die StudentInnen die Karte zunehmend auch für außeruniversitäre Zwecke einsetzen und sich dazu durchringen, die technischen Zusatzgeräte für den Betrieb am heimischen Rechner erwerben, die zur Zeit noch mit 400 DM zu Buche schlagen.

Warum die »Akzeptanz« ihr wesentliches Problem ist: Zum Rechtsverständnis der Karten-Betreiber[Bearbeiten]

Die homogene AnwenderInnengruppe ermöglicht auch eine unkomplizierte Evaluation des Projektes, die für die gesamtgesellschaftliche Durchsetzung der Karte unerläßlich ist: Die Karte bewirkt so komplexe Veränderungen, daß ihre Implikationen nur in einem langwierigen Prozeß gemeinsam mit den Betroffenen erörtert werden könnten. Je länger aber nur über die Karte geredet und sie nicht gemacht wird, desto weniger Geld ist damit zu verdienen, weil andere die VorreiterInnenrolle übernehmen. Den ProtagonistInnen der Karte liegt daher sehr an der unreflektierten Akzeptanz unter den künftigen NutzerInnen. Ein Feldversuch an der Uni kommt da gerade recht.

Um die allgemeine Akzeptanz von Chipkarten nicht zu gefährden, wurde ein anderer Feldversuch bislang nur projektiert, aber nicht gestartet. Die Machbarkeitsstudie des Ex-Bundesinnenministers Kanther zur Asylcard vermerkt, es sei

"unbedingt zu vermeiden, daß eine Einführung der Smart-Card im Asylverfahren in der öffentlichen Wahrnehmung zu einem negativen Image dieser Datentechnik führt" (Machbarkeitsstudie zur Asylcard, zitiert nach: taz, 3.08.1998 – siehe Anhang)

Auch media@komm liefert genug Material, das einem negativen Image der Datentechnik förderlich ist: Der Landesdatenschutzbeauftragte, Stefan Walz, beklagte gegenüber dem Weser Kurier das „rechtliche Versuchslabor", das gegenwärtig geschaffen wird. Online werden Dinge ermöglicht, die auf dem Papier nicht zulässig sind. (Weser Kurier vom 13.03.1999) Der Senat hat sich bereit erklärt, die Änderung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften für das Projekt einzuleiten. Die Projektleitung glaubt, daß

"durch die unmittelbare Nähe von ausführender Verwaltung und rechtsetzenden Stellen die Anpassung rechtlicher Vorschriften besonders gut gelingen kann." (media@komm-Bewerbung Bremens, S. 9)

Mit Nähe meinen sie hier die nahe beieinander liegenden Strukturen der Regierung im Land Bremen und versprechen sich davon einen geringen Verhandlungsaufwand. Und weiter:

"Gerade die horizontale Integration mehrerer Verwaltungsdienstleistungen ist mit dem Risiko verbunden, gegen das strenge Zweckbindungsgebot der Datenschutzgesetze zu verstoßen. Da in dem hier skizzierten Konzept diese Integration jedoch in erster Linie in der Client-Software [bei der KartennutzerIn] erfolgen soll, besteht kein prinzipieller Konflikt." (media@komm-Bewerbung Bremens, S. 11)

Selbst wenn ein Konflikt zwischen ausführender Verwaltung, d.h. der Exekutive, und den „rechtssetzenden Stellen", d.h. der gewählten parlamentarischen Vertretung, nicht von der Hand zu weisen ist, wird die Lösung jedoch eher in der Änderung der betreffenden Gesetze gesucht. Ein Grundgedanke des Grundgesetzes war allerdings die Trennung von Legislative und Exekutive (zu der die Verwaltung gehört), und nicht deren Nähe! Wenn letztere jedoch in dieser Art eher abwertend bezeichnet wird und ihr sogleich die Rolle zugedacht wird, sich an die Innovationsanforderungen anzupassen, dann wissen wir spätestens an dieser Stelle, aus welcher Richtung der Wind weht. Bei einer solchen Herangehensweise an die Rechtsprechung können wir nicht davon ausgehen, daß die Zweckgebundenheit der anwendungsspezifischen Daten eingehalten bleibt und eine Behörde nicht Zugriff auf die Daten einer anderen erhält oder im Bereich der kommerziellen Anwendungen ein überzogenes Konto bei der Bank nicht auch Auswirkungen auf den Zugang zu anderen Bereichen hat.

Diese Äußerungen fallen nicht ohne einen Hintergrund: die gesamte Debatte um die „Wege innovativer Verwaltungen"5 rankt sich um Privatisierung, Rationalisierung und die Zentralisierung der verbleibenden öffentlichen Strukturen unter ein "neues Steuerungsmodell". Die Stadt wird als Unternehmen gesehen, das Gemeinwohl fällt dabei nicht unbemerkt hintenrunter, sondern es soll privatisiert werden: damit würde es erst gewährleistet. Frei nach dem Motto: jede öffentliche Anbieterstruktur erfüllt die Nachfrage schlechter als das private Angebot, sie sei "bürgerfern". Nun wir sehen, was mit der Privatisierung der Deutschen Bahn von solchen Argumenten zu halten ist. Der Service wird kundenfreundlicher, aber die Reisezugauskunft teurer und die Züge haben durch den Personalabbau eine viel höhere durchschnittliche Verspätung und ein größeres Unfallrisiko als zu vor. Die Einhaltung des Zweckbindungsgebots bleibt letztlich ein hehres Versprechen, denn etwaige Verknüpfungen und Auswertung der auf dezentralen Servern gespeicherten Daten sind für die KartennutzerIn nicht nachvollziehbar.

Halten wir fest: je mehr Kombination von Anwendungen auf standardisierten Bahnen des Datenflusses, desto weniger Zweckgebundenheit kann garantiert werden. Und: je mehr Kartellbildung zwischen Staat und Unternehmen, desto weniger Mitbestimmung für alle Betroffenen. Im Rechtsverständnis der Betreiber wird die Gewaltenteilung tendenziell aufgeweicht, das öffentliche Recht zum Privatrecht (des Dienstleistungsangebots mit unverbindlicher Preisempfehlung) und die Klagemöglichkeiten gegen den Verwaltungsvollzug vermindert. Der Weg der Einführung des Chipkartenprojektes selbst kommt daher in Form eines Abbaus an Demokratie.

Die innovativen Chipkartenplanungen sollen sich im möglichst rechtsfreien Raum entwickeln. Das geht so weit, daß die Machbarkeitsstudie zur Asylcard sich lauf Auftrag aus dem Innenministerium ausdrücklich nicht an das Grundgesetz halten, sondern Vorschläge zu dessen Änderung unterbreiten sollte (dazu weiter unten).

An dem Projekt media@komm hängen viele, insbesondere auch privatwirtschaftliche Interessen. Die sogenannte bürgerInnenfreundliche Umgestaltung der öffentlichen Verwaltung ist allenfalls Abfallprodukt dieser Bemühungen, an der Uni Bremen entpuppt sie sich als ausgesprochen perfides Argument zur Akzeptanzförderung: Warum wird erst jetzt umtriebig über eine Veränderung der Verwaltungsleistungen nachgedacht, und zwar ausschließlich auf der Grundlage eines umfangreichen technischen Projektes mit immensen Konsequenzen für das Persönlichkeitsrecht und die informationelle Selbstbestimmung? Wozu braucht es überhaupt ein elektronisches Semesterticket? Wieso soll die Rückmeldung (einmal im Semester) um Mitternacht in der Uni vollzogen werden können, statt sie wie bislang bequem per Überweisung zu veranlassen? Im wesentlichen ist die Uni das Vehikel für die erfolgreiche Einführung der Karte in Bremen.

Die Karten-Planungsvorhaben von Bremen Online Services[Bearbeiten]

Grundgedanken und Struktur des Projekts seien hier kurz dargestellt:

  1. So viele Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung wie möglich sollen elektronisch zugänglich sein: so die An- und Ummeldung bei Umzügen, die Kfz-Zulassung, eine Heirat beim Standesamt, die Kommunikation mit dem Finanzamt und der Zahlungsverkehr mit der Verwaltung. Auf privatwirtschaftlicher Seite sollen der Kauf eines Autos, der Bau eines Hauses, der elektronische Arztbrief, Rechtsanwalts- und Steuerberaterverkehr sowie der Kauf von Theaterkarten oder andere Freizeitaktivitäten integriert werden in eine Chipkarte für alle BürgerInnen.
  2. Der prinzipielle Punkt der Planer ist die Überlegung: wird der subjektive Nutzen der Umstellung der Wege auf Elektronik die Kosten überwiegen, kurz lohnt es sich? Ihre Schlußfolgerung ist: es müssen so viele Anwendungen wie möglich in eine Karte integriert werden, und zwar gerade kommunale und private. Mit dieser Maxime steht und fällt ihr Projekt.
  3. Wenn es ihnen gelingt eine Karte an der Uni einzuführen, werden sie versuchen die ganze Bremer Bevölkerung zu integrieren. Wenn ihnen das gelingt, soll die Verdatung auf weitere Teile des Bundesgebiets ausgeweitet werden, bis jede/r eine solche Karte hat.

Die technische Infrastruktur[Bearbeiten]

Die BürgerIn soll über den eigenen oder bereitgestellte öffentliche PCs oder einen Mittler (s.u.) Zugang zu einer Online-Plattform im Internet erhalten. Von dieser Plattform aus gelangt man zu einem Stadtinformationssystem, einem Behördenwegweiser und zu einem Formularserver. Angeschlossen werden soll ein Security-Server, der die Signatur überprüft und Statusprotokolle an die Prozeß- und Schnittstellungsteuerung weiterleitet. Ein Payment-Server soll die Bezahlung mit Karten ermöglichen. Mensch schiebt die Karte in ein Lesegerät, und der Bildschirm und die Tastatur bilden eine virtuelle Kasse. In einer Zwischendatenbank sollen alle Vorgänge gespeichert werden. Ein „Trust-Center" wird berechtigt sein, die elektronische Signatur zu vergeben. Die Telekom, ebenfalls in das Projekt eingestiegen, hat jetzt einen ersten solchen „Trust-Center" genehmigt bekommen. Der Verschlüsselungsstandard soll im Lauf der Umsetzung vom Online Services Computer Interface (OSCI) zum Homebanking Computer Interface (HBCI) umgestellt werden.

Als Zeitraum planen sie vom Jahr 1999 bis zum Jahr 2008. Eine Karte mit elektronischer Signaturfunktion soll spätestens 2002 ausgegeben werden. Interessierte PrivatkundInnen wie SteuerberaterInnen sollen bereits jetzt eine solche Karte mit Lesegerät erwerben können. Um allerdings allen minderbemittelten Leuten einen Zugang zum elektronischen Verkehr zu ermöglichen, sollen Karte und Lesegerät auf 50 DM pro Stück runtersubventioniert werden. Dem Vernehmen nach ist die Projektleitung auch bereits auf der Suche nach SponsorInnen, die die Geräte als Gegenleistung für die Inanspruchnahme ihrer Dienstleistungen kostenlos zur Verfügung stellen. Die Bedeutung der Karten für die Verwaltungsreform Das Bremer Media@komm-Projekt ist Teil umfangreicher Vorhaben der Verwaltungsreform: dazu gehören „die Einführung des Controlling, des Neuen Steuerungsmodells in ausgewählten Anwendungsbereichen, die Privatisierung ganzer Dienststellen sowie landesweite und bundesweite Reformbemühungen wie die Haushaltskonsolidierung (…) sind nur ein paar Entwicklungen, die die Bremer Verwaltungslandschaft in den nächsten Jahren nachhaltig verändern werden" (aus dem Entwurf der Vorhabenbeschreibung zum Antrag von Bremen Online Services GmbH, S. 116). Das TZI-Projekt der BürgerInnenkarte – das heißt die Firma Bremen Online Services – will die Verwaltungsrationalisierung in den nächsten Jahren mit eigenen Vorschlägen begleiten und durch Erfahrungsaustausch mit anderen Kommunen und mit dem Ausland verbessern. Auf gut Deutsch: mit dem BürgerInnenkarten-Projekt und mit der Verwaltungsreform verbinden sich Einsparungen, Rationalisierungen und Zentralisierungen. Mit den Privatisierungen wiederum möglicherweise auch Serviceverschlechterungen oder Verteuerungen bei öffentlichen Leistungen. In vielen Fällen wird mensch den Begriff „Bürgernähe" mit einer reaktionsschnelleren Verwaltung übersetzen können. Das heißt aber noch lange nicht, daß damit Verbesserungen unserer Lebensbedingungen verbunden sind. Wenn ein Angebot wie eine Sprechzeit oder eine Postfiliale gering frequentiert wird, kann „Bürgernähe" auch ihre Schließung bedeuten (eine privatkapitalistische Reaktion auf geringe Nachfrage).

Weiter, so schreiben die Macher, sei für die Übertragung der in Bremen gemachten Erfahrungen auf andere Kommunen ein Monitoring (Berichtswesen) der Verwaltungsreform und der Erfahrungen mit der digitalen Signatur von Bedeutung. „Dabei ist insbesondere zu prüfen, inwieweit neue Organisationsformen der öffentlichen Verwaltung, die anderweitig erprobt werden, durch die Bremen-Online Services (BOS)-Technologie unterstützt werden kann, bzw. welche Organisationsformen durch BOS-Technologie ermöglicht werden kann (S. 117).

Die BürgerInnenkarte als Teil der Verwaltungsreform und das Vorhaben ihrer flächendeckenden Ausweitung auf alle Gemeinden im Bundesgebiet ist damit von grundlegender Bedeutung für die Industrie, die ihre Genehmigungsverfahren vereinfachen kann, für die Abwicklung von Verordnungen, es ist Teil eines neuen Entwicklungsmodells. Das wird deutlich an den schon recht ausdifferenzierten Vorstellungen einer "Diffusion" der BürgerInnen-Karte auf andere Kommunen rund um Bremen und den diesbezüglichen Absprachen. Die Online-Plattformen und „Trustcenter" sollen bei kommunalen Datenzentralen eingerichtet werden.

Finanzielle Interessen[Bearbeiten]

Dieser Punkt beinhaltet zunächst die Rationalisierung von Verwaltungen, wie in offiziellen Projektbeschreibungen zu lesen ist. Das bedeutet längerfristig natürlich den Wegfall von Arbeitsplätzen und damit Einsparungen in diesem Bereich.

Dann soll, wie oben ausgeführt, die elektronische Kontrolle bestimmter Bevölkerungsteile „Argumente" liefern für Kürzungen im Sozialbereich.

Und letztendlich ist die Verbreitung der Digitalen Signatur ein notwendiger Schritt in Richtung E-Commerce, d.h. zur wirtschaftlichen Nutzbarmachung des Internet, anders: shoppen über's Netz. Dies ist ein komplett neuer Wirtschaftsbereich, eine enorme Neuerung mit ihren eigenen Konsequenzen, ähnlich wie bei den Kontrollaspekten der Chipkartenprojekte. Außerdem sind über die statistische Auswertung der erhobenen Daten realistische Informationen zur Marktforschung gewinnbar (individuelle KundInnenprofile).

So ist das erste wichtige Ziel der Bremer BürgerInnenkarte die Verbesserung der Infrastruktur für kaufkräftige Kunden, für Unternehmer usw. Ihnen wird die Karte vielleicht tatsächlich eine Verschönerung von Kauferlebnissen ermöglichen.

Endnoten[Bearbeiten]

  1. Die Dienstleistungsuni versteht sich als Vertragspartnerin der StudentInnen. Sie bietet eine Ware (Bildung) gegen Bezahlung (Studiengebühren) an und begreift Konkurrenz nach marktwirtschaftlichen Prinzipien als Regulativ zur Qualitätssteigerung von Bildungsangeboten.
  2. Breitere Informationen sind dem Reader „Abgekartetes Spiel" (Literaturhinweis) zu entnehmen. Die Niederlande haben ein entsprechendes System auf nationaler Ebene eingeführt. Das dortige Projekt entstand unter maßgeblicher Beteiligung von IBM, die auch in Deutschland bei Chipkarten mitmischt.
  3. Die Digitale Signatur soll als elektronisches Äquivalent die Unterschrift ersetzen und wird in Deutschland durch das Signaturgesetz vom 13.06.1997 geregelt (etwa hinsichtlich der technischen Infrastruktur). Die Deutsche Telekom AG hat im Frühjahr 1999 das erste sog. TrustCenter entsprechend den Regelungen dieses Gesetzes in Betrieb genommen.
  4. Eine Beteiligung der StudentInnen an den konkreten Details ist für die Uni sogar von vitalem Interesse, weil auf diesem Wege Fehlentwicklungen und Betriebsprobleme weitgehend im Vorfeld beseitigt werden können.
  5. Heinrich Reinermann. Die Krise als Chance: Wege innovativer Verwaltungen. Speyerer Forschungsberichte 139, 1995.

Gefahren von Chipkarten[Bearbeiten]

Nicht nur uns StudentInnen sollen Chipkarten verpaßt werden. Ganz oben auf der Liste stehen noch andere, nämlich AsylbewerberInnen, Erwerbsarbeitslose und Sozialhilfe-EmpfängerInnen. Sozial unterpriviligierte Gruppen, die ohne Lobby sind und nicht auf die Unterstützung anderer Gesellschaftsschichten rechnen können. Hier soll die elektronische Überwachung „Argumente" liefern für weitere Einsparungen in diesem Bereich. Wenn sich SozialhilfempfängerInnen immer noch Bier und Zigaretten leisten können, kann das Geld ja so knapp nicht sein. Denn schließlich soll es noch einen Unterschied geben zwischen Erwerbsarbeitenden in Niedriglohngruppen und denen, die gar nichts tun für ihr Geld! Die Frage, warum sie "nichts tun", darf nicht mehr aufkommen, stattdessen sollen sie ein Unrechtsbewußtsein über ihre soziale Lage entwickeln. Bei den schlecht bezahlten ArbeiterInnen soll das bewirken, daß sie froh sind über ihre prekären Arbeitsverhältnisse und sich um so bereitwilliger der Disziplinierung und Kontrolle auch in diesem Bereich unterwerfen.

Als StudentInnen sollten wir nicht aus den Augen verlieren, daß die Ergebnisse der Akzeptanzforschung an Uni-Chipkarten für derartige Anwendung genutzt werden. Mit der kritiklosen Verwendung tragen wir also indirekt mit dazu bei, daß solche Projekte vorangetrieben werden, die Umverteilung von Gütern weiterhin in den unteren Schichten bzw. von unten nach oben stattfindet und sich immer weiter in Richtung der Zwei-Drittel-Gesellschaft bewegt. Dazu gehört z.B. der Ausschluß von Menschen mit niedrigem sozialem Status von bestimmten Bereichen des öffentlichen Lebens. Eine Klassifizierung, bei der Arme nur noch in bestimmten Läden einkaufen, nicht mehr alle Bankfilialen nutzen dürfen, kein Girokonto mehr einrichten können, zu bestimmten Dienstleistungsbereichen keinen Zutritt mehr haben. Aber noch ein anderer Beweggrund für die Verdatung von Menschen läßt sich hier zeigen. Das Beispiel Asylcard verdeutlicht am besten die Intention der Disziplinierung für einen bestimmten Herrschaftszweck.

Herrschaftssicherung[Bearbeiten]

Der Zweck von Kontrolle und Disziplinierung in der Gesellschaft ist immer auch die Sicherung der herrschenden Machtverhältnisse. Sobald Verhalten kontrolliert werden kann, wird die Sanktionierung von Normabweichungen möglich. Die Normen aber werden von den Herrschenden gemacht. Die Einstellung "ich bin ja unschuldig – ich hab nichts zu verbergen" setzt fundamentales Vertrauen in die Neutralität von Staat und Gesellschaft voraus. Das aber ist ein Irrtum... Das ist die Variante der Selbstdisziplinierung, die als solche nicht wahrgenommen wird. Oberflächlich betrachtet geht es hier nicht um Kontrolle, sondern um Service und Dienstleistungen, aber das Wissen um die Kontrollmöglichkeiten führt auf der Seite der BürgerInnen dazu, daß sie sich schon im voraus stärker selbst auf mögliches Fehlverhalten kontrollieren, Unrechtsbewußtsein und Herrschaft verinnerlichen.

Informationen über Individuen können durch institutionelle Verdatung und Datenkombination gewonnen werden, durch Überwachung mit Videokameras, gekoppelt mit Mustererkennungsprogrammen für Personen, Gesichter und Fingerabdrücke, aber auch als Bewegungsprotokolle aus Zugangskontrollen und Stechuhren, als KundInnen- und allgemeine Persönlichkeitsprofile. Sie können zur Strafverfolgung, aber auch zur Konstruktion von Täterschaft dienen, zum Ausschluß einer Person von bestimmten Orten, zur Beschneidung von öffentlichem Raum, zur gezielten Werbung. All diese Vorgänge richten sich an den existierenden Normen aus, die wiederum der Forcierung der herrschenden Ordnung dienen und das Individuum in seiner Rede-, Denk- und Gewissensfreiheit beschränken. Informationen über einen Menschen zu besitzen, bedeutet potentielle Macht über ihn zu haben.

Nicht die Einzelnen haben die Definitionsmacht darüber, was „unschuldig" oder „rechtens" ist, sondern im Zweifelsfall sogar die Exekutivorgane des Staates oder private Sicherheitsdienste. Das wird gerade an den Themen „Kriminalität" und „Innere Sicherheit" deutlich, die fast immer bemüht werden, wenn Argumente für Datenerhebungen gebraucht werden. Handlungen wie auf der Straße Alkohol zu trinken, in öffentlichen Verkehrsmitteln zu essen, auf freien Flächen zu sprayen und sie mit Plakaten zu bekleben oder einfach nur „Dreck" zu machen werden von „schlechtem Benehmen" in den Status von Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten erhoben und entsprechend verfolgt und geahndet. Schließlich darf das Interesse eines Staates über die statistische Auswertung seines „Volks" nicht unterschätzt werden.

Für Uni-Chipkarten mit der Funktion eines elektronischen Schlüssels gilt das oben Gesagte, was die Erstellung von Bewegungsprofilen und deren Verwendung betrifft. Die Geldkarten-Funktion für Geschäfte auf dem Campus macht uns für die Erstellung von KundInnenprofilen interessant und bedient im übrigen das beteiligte Geldinstitut.

Kritik an der Verdatung aller Lebensbereiche[Bearbeiten]

Ein grundlegendes Problem zentraler Datensammlungen ist die faktische Unmöglichkeit der Einzelnen, die Speicherung und Neukombination sowie den Zugriff zu kontrollieren. Dies widerspricht dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung1, ganz zu schweigen von den Auswirkungen hardware- und softwaretechnischer Pannen, durch die auch juristisch Unbefugte auf Daten zugreifen können. Schließlich ist kein einziges System auf der Welt absolut sicher, und die Möglichkeiten die rechtlich Befugte ausnutzen können, stehen auch allen Menschen zur Verfügung, die sonst Zugang zu den Informationen gewinnen können.

Damit sind im Prinzip alle erfaßten Personen ständig unbemerkten flächendeckenden Kontrollen ausgeliefert, die unter irgendeinem Vorwand vorgenommen werden. Ein aktuell bekannt gewordenes Bremer Beispiel: Im August 1995 wurden in der Stadtbibliothek die Daten von über einer Million Ausleihvorgängen beschlagnahmt, als das Landeskriminalamt nach den Attentätern auf den Sekretär des Bonner Entwicklungshilfeministeriums fahndete. Die zuständigen Datenschützer fanden das nicht problematisch. (nach: Frankfurter Rundschau vom 19.02.1999)

In Berichten über neue Anwendungsmöglichkeiten von elektronischer Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist oft zu lesen, daß der juristische Rahmen dafür noch fehlen würde. Das motiviert dazu, immer weitere Bereiche zu verregeln. So hat sich das Land Bremen gegenüber dem Projekt Media@Komm bereiterklärt, die notwendigen rechtlichen Grundlagen für die Einführung einer Bremer BürgerInnenkarte zu schaffen. Solche Regelungen können theoretisch nicht den existierenden Gesetzen zuwiderlaufen. Aber wir haben in letzter Zeit schon öfter gesehen, was Grundrechte in der BRD wert sind – z.B. wie das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung durch den „großen Lauschangriff" ausgehöhlt wurde. Noch schneller und ohne große Diskussion wird es gehen, wenn einfache Gesetze geändert oder neu erlassen werden müssen, weil der Zugriff auf personenbezogene Daten immer interessanter wird. Die oben erwähnte Machbarkeitsstudie zur Asylcard übrigens sollte sich explizit nicht an bestehende Gesetze incl. Grundgesetz halten, sondern eigene Vorschläge zu Gesetzesänderungen unterbreiten.

Weitere Beispiele für Verdatung und Überwachung[Bearbeiten]

...sollen hier nur angerissen werden: In Berlin werden im Rahmen von Pilotprojekten einige Spielplätze videoüberwacht, deren Bilder in die Wohnungen der Eltern übertragen werden. In Altglienicke sind Wohnungen so vernetzt, daß demnächst auch die Hauseingänge videoüberwacht werden können. Ebenfalls in Berlin hat eine Wohnungsbaugesellschaft 1.200 Wohnungen mit einem rückkanalfähigen Breitbandkabel ausgestattet, über das die MieterInnen telefonieren können, bald aber auch einkaufen, Bankgeschäfte erledigen oder während des Urlaubs ihre Wohnungen überwachen lassen sollen2. In Bremen hat die BSAG begonnen, die Papier-Fahrscheine durch Chipkarten zu ersetzen3. In Großbritannien sammeln Supermarktketten über sog. Clubcards ihrer KundInnen massenhaft Daten zum Kaufverhalten und erstellen daraus KundInnenprofile, mit deren Hilfe die Werbestrategien optimiert werden4.

Gendateien werden erstellt, wobei es einfach zu naiv ist zu glauben daß sie auch irgendwann gelöscht werden. Ganz London (!) ist laut c't (Magazin für Computertechnik) jetzt schon videoüberwacht, parallel dazu werden Systeme entwickelt, durch die anhand eines Bildes eine Person eindeutig identifiziert werden kann.

Endnoten[Bearbeiten]

  1. sog. "Volkszählungsurteil" des Bundesverfassungsgerichts von 1984 (sic!): Jede Person darf selbst bestimmen, wer zu welchem Zweck welche ihrer personengebundenen Daten speichert und/oder verwendet.
  2. nach Der Tagesspiegel, Berlin, 28.2.1999
  3. nach taz Bremen, 31.7.1998
  4. nach Kassiber, 9/1996

Chipkarten als Instrument der Sozialpolitik[Bearbeiten]

Wir meinen, die Intentionen der Ämtervernetzung und Zutrittskontrolle werden deutlich, wenn wir die Plastikkarten als Teil einer Sozialpolitik der Aussonderung werten. Dazu ein kleiner Exkurs dazu, was wir mit Sozialpolitik meinen.

Exkurs: Was verstehen wir unter Sozialpolitik?[Bearbeiten]

Sozialpolitik ist so etwas wie die staatliche und/ oder betriebliche Reproduktion des „variablen Kapitals", wie Marx das nannte, also der Arbeitskraft. Dazu kann mensch sämtliche Strategien zählen, die die Arbeitskraft wiederherstellen sollen, also z.B. Einrichtungen der sozialen Sicherung, der Wohlfahrt von der Kindertagesstätte bis zum Altenpflegeheim. Diese Strategien haben nicht nur menschenfreundliche, sondern immer auch kontrollierende Anteile, denn das menschliche Leben soll in einer Gesellschaft, die von KapitalistInnen beherrscht wird, natürlich in erster Linie für die Produktion wiederhergestellt werden (soziale Reproduktion).

Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: wir denken, es ist ganz enorm wichtig, daß wir diese sozialen Einrichtungen haben und wir müssen heute für deren Erhalt kämpfen. Aber neben dem Gewinn an Lebensqualität gibt es den Kontrollaspekt. So ist es in der Geschichte der Einführung sozialpolitischer Maßnahmen immer von größter Bedeutung gewesen, die „Unproduktiven" von den „Produktiven" zu trennen, um danach und damit besser in die produktiven Funktionen der deutschen Arbeiterklasse investieren zu können. Bismarck organisierte die Sozialversicherung als staatliche monopolistische Organisation und sie diente der Vervollständigung der Hereinnahme der Klasse in den Prozeß der Verwertung.

Im Nationalsozialismus wurden die sozialpolitischen Strategien radikalisiert: Die Frage „welches sind die produktiven Teile der Klasse und wieviel können und müssen wir in sie investieren?" wurde verknüpft mit der Aussonderung der „Unbrauchbaren". Daher die Gleichzeitigkeit von „entrahmter Frischmilch" in den Arbeiterkantinen und die Deportation von Menschen mit Behinderungen in die „Euthanasieanstalten" in der Aktion T4.

Mit der öffentlichen sozialpolitischen Investition in die Klasse wurde zugleich das Geschlechterverhältnis in den Rollen von produktiven Herren und dienenden Mägden verfestigt.

Die sozialpolitischen Strategien wurden in die Zeit nach 1945 verlängert und erweitert: auf den sozialen Wohnungsbau, die Psychiatrie oder in der Gastarbeiterpolitik. Immer ging es dabei auch um gesellschaftliche Produktivität: um Zurichtung von Konsum und Verhalten, Wegnahme von Eigenständigkeit und unkontrollierter Mobilität für das Wirtschaftswachstum.

Mit der Zunahme der Studierendenzahlen und dem kulturellen Aufbruch seit den 60er Jahren sind allerdings neue Verhaltensweisen, Selbstverwirklichungsbedürfnisse, Ansprüche etc. entstanden, die den Interessen des Kapitals und den autoritären Familienkonventionen immer wieder zuwiderliefen. An der Lehrstellenkrise Anfang der 80er Jahre wurde das deutlich (Verweigerungshaltung, no future, „kein Bock"-Mentalität) wie an der Zunahme der alleinerziehenden Eltern oder des Wohnens in Wohngemeinschaften. Es handelt sich dabei zum einen um Krisenphänomene wie die Auflösung der Familie, die mangelnde Verantwortung von Männern, aber auch um Momente der Selbstbestimmung und des Ausbrechens aus der bisherigen Norm der patriarchalen Kleinfamilie und der Pünktlichkeit um der Pünktlichkeit willen.

Hatten diese Strömungen in den 80er Jahren ihren Ausdruck in feministischen Bewegungen oder in der Häuserkampfbewegung gefunden, so sind diese Bedürfnisse heute weitgehend individualisiert und als kreative Impulse der Warengesellschaft aufgesogen. Viele Leute sind nun gar der Meinung, es gäbe zu viel Freiheiten und einen zu laxen Umgang mit öffentlichen Leistungen. Wir halten dem entgegen: nicht die Bewegungsformen der Studis, Azubis oder Unsteten sind das Problem, nicht der Abbruch einer Lehre oder die Verweigerung einen Job anzunehmen, nicht die Urlaube von RentnerInnen oder SozibezieherInnen, sondern die Wirtschaft ist kriminell, so wie sie läuft: Subventionsabzockerei, Kaputtkonkurrieren oder Aufkaufen von Firmen, ganz zu schweigen von der Gewalt in den südlichen Ländern, und nun eben mit den Chipkartenprojekten die Kartellbildung von Staat und Privaten.

Wenn wir Sozialpolitik als sozial strukturierende Politik in dem oben skizzierten Sinne verstehen, dann sind „Verwaltungsvereinfachung" und „Bürgernähe" Ausdruck ihrer propagandistischen Tendenz. Im folgenden wollen wir die sozialpolitische Aussonderungsoption mit Hilfe von Chipkarten an einzelnen „Anwendungen" deutlich machen (Jan Kuhlmann verwendete dafür den Begriff sozialökologische Rationierungssysteme).

Die erste Etappe: Asylcard als Mittel der Illegalisierung[Bearbeiten]

Für die Asylcard gab das Bundesinnenministerium 1997 bei der Beraterfirma ORGA Consult (übrigens eine Tochterfirma des Paderborner Chipkartenkonzerns ORGA, eines der größten europäischen Chipkartenkonzerne) eine Machbarkeitsstudie in Auftrag. Sie sollte den Plänen zufolge „mindestens als Identitätsnachweis, zur Zugangskontrolle in der Unterbringung, als Anwesenheitsnachweis, zur finanziellen Abrechnung gegenüber Vermietern, zur Speicherung der Verfahrensdaten, zum Nachweis der Empfangsberechtigung für Leistungen (Unterkunft, Verpflegung, Taschengeld, medizinische Leistungen, etc.) und zum Nachweis der Meldeverpflichtung und der Arbeitserlaubnis dienen. Außerdem werden als mögliche Funktionen der bargeldlose Leistungsbezug, die Patientenkarte und die elektronische Geldbörse genannt (FIfF-Kommunikation 3/98, S. 10). Zur Nennung möglicher weiterer Funktionen forderte der Auftraggeber die Firma ausdrücklich auf. In der Auflistung findet sich auch die Digitalisierung „biometrischer Daten", also der Fingerabdrücke, wie sie mit dem AFIS bereits bei Grenzübertritt und Asylantrag gesammelt werden. Siemens hatte bereits 1992 eine Maschine entwickelt, die gescannte Fingerabdrücke langverformelt und in einen Strichcode verwandelt. Mit diesem „Automatische Fingerabdruck-Identifikationssystem" (AFIS) werden seitens des BGS von allen Neuantragstellern seit 1992 alle 10 Fingerabdrücke abgenommen, die im „Ausländerzentralregister" (AZR) gespeichert werden (dazu Leuthardt 1994, S. 406ff).

Bundesweit wurde das Projekt zwar letztlich nicht durchgesetzt, aber einen Vorläufer davon gibt es in Berlin seit Ende 1998. Dort können AsylbewerberInnen für einen Teil ihrer Sozialhilfe nur noch per Chipkarte und in bestimmten Läden einkaufen, und zwar nur Lebensmittel und Hygieneartikel. Durch die Speicherung der Daten können detaillierte Bewegungsprotokolle erstellt werden. Die Karte wurde von der Münchner Firma Infracard entwickelt, die an jeder Transaktion 1,5% verdient.

Kanthers Kartenpläne wurden allerdings im Juni 1998 abgeblasen, weil der Protest von Antirassismusgruppen und DatenschützerInnen das Projekt publik machte. Das Argument war, daß die Realisierung der Asylcard die Einführung von BürgerInnenkarten behindern würde – deren Image und damit die Akzeptanz würden durch ihre Nähe zur zwangsweisen Asylcard schwer beschädigt (siehe Artikel vom 3.8.98 im Anhang). Der Bevölkerung wird also immerhin zugetraut, Parallelen zu erkennen und einen bestimmten Grad von Kontrolle abzulehnen. Dies führte letztendlich dazu, daß das Projekt abgeblasen wurde, und das sollte uns zu denken geben: die MacherInnen scheinen das Wohlwollen der Bevölkerung gegenüber derartigen Projekten dringend zu brauchen. Mit den Uni-Chipkarten wird der Versuch unternommen, diesen Mechanismus in umgekehrter Richtung zu nutzen und über Studierende, die als „zukünftige Elite" eine statushohe Gruppe sind, die Verdatung positiv zu besetzen und so der Allgemeinheit besser verkaufen zu können.

Das Asylcard-Projekt ist die technische Umsetzung der Hetze gegen die Einwanderung. Die Abnahme von Fingerabdrücken ist vor allem ein symbolischer Hinweis auf „das Wesen des Ausländers": seinen Hang zum Kriminellen. Niemand sonst bekommt eine ED-Behandlung, nur wer einer Straftat verdächtigt wird. Überdies ist das Nehmen von Fingerabdrücken und Erfassen „biometrischer Daten" eine Nazi-Methode: die Daktyloskopie wurde von Robert Ritter, Hermann Arnold, Eva Justin und Sophie Erhardt von der „Rassehygienischen Forschungsstelle" in Tübingen und der „Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens" in Berlin gezielt dazu eingesetzt, Roma und Sinti durch das Abmessen von Nasenlänge, Augenabstand und Fingerlängen und -abdrücken etc. als ganze, halbe, viertel oder achtel-Zigeuner zu klassifizieren. „…die akribische Erfassungsarbeit und die hierauf gestützten »gutachterlichen Äußerungen« dienten dem Reichskriminalpolizeiamt als Entscheidungsgrundlage für Verfolgungsmaßnahmen" (Fings und Sparing 1995, S. 182).

In Gestalt der Erfassung von „Landfahrern" setzte die (bayerische) Polizei die rassistische Verfolgung und Stigmatisierung nach 1945 fort, bis am 1. 9. 1981 Roma und Sinti in einer spektakulären Aktion das Magazin der Uni Tübingen besetzten und den Abtransport der Akten ihrer ermordeten Eltern, Tanten und Onkels in das Bundesarchiv Koblenz veranlaßten. Auch eine Form von Datenschutz.

Wer aus seinem Heimatland flieht, tut dies nicht freiwillig. Rassismus und Abschreckung hin oder her – die Menschen werden trotzdem hierherkommen. Auch Abgeschobene unternehmen hartnäckig erneute Versuche der Einreise, und dies nicht aus böser Absicht heraus, sondern aus der verzweifelten Lage keine Alternative zu haben. Je mehr Feindseligkeit ihnen und ihren selbstverständlichen Lebensansprüchen jedoch entgegenschlägt – ob in individuellem Rassismus oder in Gestalt der ganzen perfiden kafkaesken Maschinerie - desto mehr werden sie sich ein anderes Bild von diesem Land machen.

Die Pläne zur Einführung einer Sozialhilfe-Karte: mit der Technologie auf dem Weg zur schleichenden sozialen Apartheid[Bearbeiten]

Dieser Gedanke hat eine Vorgeschichte: die Mißbrauchsdebatte. Zuerst begann sie mit der Kampagne gegen „den Mißbrauch des Asylrechts", die Basis für die weitgehende Abschaffung des Artikels 16 Grundgesetz 1993. Dann gingen Staat und Medien über zur Kampagne gegen Illegalisierte und FluchthelferInnen und nun gegen den Mißbrauch im „Soziallastsystem" (so der neueste Kampfbegriff in der taz vom 29.9.99). Die taz-Artikel im Anhang zeigen, wie auch in Bremen versucht wurde, SozialhilfebezieherInnen aus dem anonymen Fluß von BankkundInnen an einen extra aufgestellten Automaten auszusondern. Banksprecher Gerzmer mochte das jedoch nicht als Vertreibungspolitik bezeichnen. Ausgeschlossen würden „nur Kunden, die ihr Konto für gesetzeswidrige Transaktionen mißbrauchen, Falschangaben machen, Mitarbeiter gefährden oder vereinbarte übliche Entgelte" nicht entrichten. Eine Frechheit und ein Zynismus, mit der erstens SozibezieherInnen kriminalisiert werden und zweitens alle kollektiv bestraft werden. Es ist wie der Rassismus der CDU gegenüber den Flüchtlingen: im Sinne des Schutzes des Asylrechts bekommen alle Schikanen. Über die Medien schreibt sich so kollektiv das Bewußtsein ein, daß „wir" uns diese „gerechten Sanktionen" gegen die Verdächtigten erlauben dürfen.

Der nächste Schritt war die Verordnung von CSU-Minister Seehofer im November 1997, wonach alle Rentenversicherungsträger, Arbeitsämter und Sozialämter alle drei Monate zu einem Datenabgleich verdonnert wurden. Schwarzarbeit konnte man damit aber nicht aufspüren (taz vom 7.11.97). Dennoch der Wille zur Verschärfung sozialpolizeilicher Strategien.

Die Karteningenieure argumentieren wie üblich mit den steigenden Sozialhilfeausgaben, wobei sie die Ausgaben für die Flüchtlinge im Asylverfahren extra nennen (Arbeitsverbot). „Zu dieser Kostenentwicklung tragen nicht zuletzt massive Betrugsdelikte im Sozialhilfebereich bei, die die Sozialkassen von Bund, Ländern und Kommunen jährlich mit Beträgen in Millionenhöhe belasten" (Bremen Online Services Anhang S. 5). Die Betrüger würden unter falschem Namen an verschiedenen Orten gleichzeitig staatliche Unterstützung beantragen.

Wir wissen, daß diese Mutmaßungen haltlos und nachweislich falsch sind: wie Thomas Beninde von der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsloser BürgerInnen (AGAB) vorrechnet, liegt die Mißbrauchsrate derzeit bei 0,3 ‰. Die Berliner Sozialsenatorin, Beate Hübner (CDU), rechnete 1996 vor, daß bei einer Gesamtzahl von 7.686 Asylverfahren in Berlin 175 Vorstöße gegen Verordnungen vorgefallen seien. Das macht immer noch eine Quote von 0,2‰. Wenn das die Senatorin mit dem Anspruch, den „Mißbrauch" intensiv zu bekämpfen, so sagt… Die vereinzelten Versuche des Mehrfachantrags sind in der Regel nach kurzer Zeit aufgeflogen und abgestellt worden. Einer der wichtigsten Politikberater beim Projekt Asylcard im letzten Jahr, der Soziologe Arno Klönne, meinte selbst zum Thema Leistungsmißbrauch: „Von den Dimensionen her ist das Problem als gering einzustufen. Die Sorge, daß die öffentlichen Kassen dadurch sonderlich belastet werden, ist statistisch nicht begründet" (FIfF-Kommunikation Sept. 1998, S: 12).

Ein wesentliches Ergebnis der Bremer Sozialhilfeforscher am Soziologie- Sonderforschungsbereich 186 ist der immer wieder von ihnen betonte statistische Befund, daß 47-50% der Fälle von Sozialhilfeerstbezug maximal ein Jahr dauerten1. Nur 6-15% hatten Dauern von 2-5 Jahren. Die Zahl der BezieherInnen von über 5 Jahren sei von 19% in 1983 auf 16% in 1989 zurückgegangen. Es sieht so aus, als ob sich die sozial Untersten in Puncto Bezugsdauer wie „Mißbrauch" aus Angst vor Abwertung und Strafen leider überwiegend auch anpassen.

Mißbrauch von Sozialleistungen ist also kein Thema, außer für Hetzkampagnen wie die gegen Flüchtlinge. Im Gegenteil, das Geld ist da, wir müssen uns für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und für eine richtige Besteuerung der Reichen stark zu machen. Glaubt mensch gar dem Finanzfachmann Prof. Rainer Roth, so hätte der Staatshaushalt bei einer gerechten Besteuerung ein Plus.

Der Kurzfassung der Bewerbung von Bremen Online Services (BOS) zum Media@Komm-Wettbewerb beigefügt war ein Anhang einer Firma namens Electronic Data Systems (EDS) mit Sitz in Dortmund und Rüsselsheim. EDS stellt sich vor als „strategischer Partner der britischen Steuerbehörde" und als Anbieter von kommunalen Dienstleistungen, dargestellt am Beispiel Cottbus, wo sie zur „innovativen Partnerschaft zwischen Behörden und Privatwirtschaft" beitragen. Die Selbstdarstellung der EDS fährt fort mit der Vorstellung eines „Systems gegen Sozialhilfemißbrauch". Ganz ignorant gegenüber den Fakten wird dort der Hetze gegen die VerliererInnen des Leistungsprinzips noch eins draufgesetzt: „Um den Sozialhilfemißbrauch einzudämmen sind neue Methoden erforderlich". Ein „System zur biometrischen Identifikation mit Hilfe von Fingerabdrücken". Ganz einfach: „Die Fingerabdrücke von Antragstellern und bereits gespeicherten Empfängern werden via Computer miteinander verglichen. Würden die fotografierten und digitalisierten Fingerabdrücke einer Antragstellerin den Daten in der Datenbank entsprechen, so erhalte sie „mit hoher Wahrscheinlichkeit" schon Sozialleistungen. Der Datenabgleich mit anderen Behörden würde um so effektiver, „desto mehr Behörden an das Netzwerk angeschlossen sind" (BOS Anhang S. 5).

Damit ist die Katze aus dem Sack: die lange gemutmaßte Ausweitung der Kampfmaßnahmen gegen Flüchtlinge auf andere liegt bereits auf den Schreibtischen der Sozialingenieure. Siemens hatte bereits 1992 eine Maschine entwickelt, die Fingerabdrücke langverformelt und in einen Strichcode verwandelt. Das „Automatische Fingerabdruck-Identifikationssystem" (AFIS) des BKA verlangt von allen Neuantragstellern seit 1992 alle 10 Fingerabdrücke, die im „Ausländerzentralregister" (AZR) gespeichert werden.

Beat Leuthardt berichtete schon 1996 in Leben Online von der Einführung einer „Benefit Security Card" in sieben Südstaaten der USA, „welche die Bargeldleistungen im gesamten staatlichen Sozialbereich ersetzen soll" (S. 216). Bis zum Ende dieses Jahres will Al Gore sämtliche FürsorgebezieherInnen verdaten. Neben der eigentlichen Sozialhilfe (Familien-, Essens- und Energiezuschüsse) sollen auch die Leistungen der Arbeitslosenversicherung, Ergänzungsleistungen (in der BRD z.B. die gerade gekürzte Bekleidungspauschale), Veteranen- und Berufsrenten per Chipkarte ausgezahlt werden. Ferner steht in Aussicht die Berechtigung zum Arzneibezug auf der Karte abzuspeichern und an der Ausgabestelle zu prüfen. Anders als beim eCommerce oder einer BürgerInnen-Geldkarte (die Zutrittskarte zur Citypassage) wäre diese Verwandlung von sozialer Sicherung in Eigentumstitel eine Rationierung von Massenkonsum, dessen weitere Absenkung die Karte erleichtern würde. Für die Kartenhersteller ist sie – genau wie die Zulieferer von Freßpaketen in den Flüchtlingslagern – ein Riesengeschäft. Für die Betroffenen ist die Einschränkung der Wahl des Ladens jedoch ein Stück Apartheid. Das ist genau das, was wir mit Chipkarten als Instrument kapitalistischer Sozialpolitik meinen.

Verschärftes Kommando im Betrieb durch zeitbezogene Leistungskontrollen[Bearbeiten]

Wie Chipkartologe Störmer zeigt, ist ein multifunktionaler Werksausweis, bei der Chemiefirma Hoechst bereits im Einsatz.2 Die Hoechst-Karte speichert das personenspezifische Arbeitszeitmodell und ermöglicht Zutrittsberechtigung, die Kantinenabrechnung und einen bargeldlosen Einkauf auf dem Werksgelände. Sie ist für andere Funktionen offen, denn „Hoechst wollte ein universelles System, das alle aktuellen und künftigen Erfassungsaufgaben mit nur einer Karte bewältigt" (S. 266).

Je mehr Daten auf der „ArbeitnehmerClubkarte", desto mehr Informationen des Chefs über seine ArbeiterInnen. Sind die Angaben zeitbezogen, so sind sie um so besser für die Auslese der Tüchtigsten verwendbar, untrüglich, elektronisch sofort verfügbar, ohne daß sich ein Jobber noch das Wissen über sein oder ihr von der Leistungsnorm abweichendes Verhalten in einer Gruppensolidarität schützen könnte.

Parallel dazu nimmt der Einsatz von Kameras weiter zu. Kamera und PC zählen in Dienstleistungsjobs (Kundenberaterin am Flughafen, Reisebüro, Telefonistin u.a.) die Minuten der Abwesenheit, die Aufenthaltshäufigkeit auf der Toilette, die Abstände zwischen dem letzten gewerblichen Telefongespräch und dem nächsten (vgl. den Spiegel-Artikel von Buse und Schnibben, „Der nackte Untertan", vom 27/1999). Schlicht ein totalitäres Verhaltensdiktat.

In einer Umfrage bittet der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer in Dortmund, Joachim Punge, seine Verbandsmitglieder, diejenigen Beschäftigten, die in den Mitgliedsbetrieben „grundlos krankgefeiert" hätten, öffentlich zu nennen. Gerade auch die Namen der Ärzte, die „besonders hemmungslos gelbe Scheine verteilen", könnten, so die Drohung, veröffentlicht werden (taz vom 13.3.96). Der (a)soziale Charakter der Chipkarte wird deutlich, wenn mensch die Elektronik in engem Zusammenhang mit den auch propagierten nicht-technischen Versionen des verschärften Kommandos über die Arbeit sieht: der Denunziationskampagne gegen Unpünktlichkeit und Krankheit.

Eine Einordnung: Chipkarten als wichtiger Bestandteil der aktuellen Innovationsoffensive[Bearbeiten]

Wenn wir uns ein klein wenig erinnern, so können wir in den letzten 20 Jahren eine massive Zunahme der Ausweisepflicht beobachten: den maschinenlesbaren Personalausweis, den Sozialversicherungsausweis, Behandlungsausweis u.a. Dies ist keineswegs allein ein Prozeß, den die staatlichen Institutionen vorangetrieben haben. Im Gegenteil, kaum daß eine Einrichtung privatisiert wird, machen die BetreiberInnen von ihrem Hausrecht Gebrauch und verschärfen die Auslese wer zu den begehrten Kunden gehört oder wer mißliebig ist. Mit dem schrittweisen Abbau des öffentlichen Rechts und seiner Übertragung in Privatrecht erleben wir nicht etwa eine Liberalisierung, sondern eine Verschärfung der Kontrollen. Das sichtbarste Beispiel sind die Securities, die überall in der Stadt an den wichtigen Zentren rumwuseln. Deren Auftreten hat allerdings eine eher verunsichernde Wirkung als daß sie Sicherheit vermittelt.

Auf den ersten Blick ist die Einführung einheitlicher Chipkarten ein gewaltiges Festlegungsprojekt, ein großer Schritt Richtung Standardisierung der Kommunikation. In diesem Sinne wird auch das Rechtsverständnis der Karteningenieure verständlich. Sie scheinen ganz gut zu wissen was für uns gut ist.

Kapitalismus ist kein Normalzustand. Das Regime des Profits ist auf ständige Erneuerung seiner technischen Infrastruktur und auf die Erneuerung der Einbindung der Bevölkerung angewiesen. Chipkarten sind Ausdruck der Sicherheitsbedürfnisse des Kapitals und zugleich Mittel der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen. An der oben zitierten Maxime, daß die Chipkarte nur dann profitabel sein wird, wenn sie so viele Anwendungen wie möglich integriert – und dabei ausdrücklich möglichst private und öffentlich rechtliche – wird die Integrations- und Erfassungswut oder -utopie der Betreiber des Projekts deutlich. Aus einer für sich genommen unrentablen Teilinitiative wird ein Gesamtentwurf personenbezogener vereinheitlichter Datenbahnen. Dieses Szenario wollen wir allerdings möglichst nicht erleben.

In beiden Fällen geht es um mehr oder weniger elektronische Ausschlußverfahren gegen nicht angepaßtes Verhalten und randständige Existenzen, und in beiden Fällen richtet sich die Technik der Beherrschung gegen die Massenbedürfnisse. Leistungsprinzip und Konkurrenzdenken sind der Kern der hiesigen Ökonomie, und die sind eine Zwangsstruktur.

Privatisierungen, Massenentlassungen, private Security und Werkschutz, Platzverweise und die Überwachungswut von Staat und Privaten ist zusammengenommen ein sozialer Krieg, der sich gegen die Mehrheit der Bevölkerung richtet. Eine Offensive, in die aber auch in wechselnden Koalitionen und in farbenprächtigen Inszenierungen von Opposition und Dialogbereitschaft möglichst viele eingebunden werden sollen, um sodann den Maßnahmen des Regimes zuzustimmen (zum Zusammenhang von sozialem Krieg und Wachstum, Innovation und Aggression und der Verschärfung des Stigma-Regimes in den Städten siehe den theoretischen Artikel von Detlev Hartmann 1998).

Und noch ein letzter Punkt: je nach dem wie weit wir uns von Informationstechnik und Kartengebrauch abhängig machen, die Standardisierung des Datenverkehrs bedeutet immer auch einen tendenziellen Verlust an Individualität - allein schon durch den Zugriff.

Fazit:[Bearbeiten]

  1. Der bisher von Bremen Online Services konzipierte Weg der Einführung einer BürgerInnen-Karte ist undemokratisch: die Exekutive regiert in die Legislative hinein, ohne Mitentscheidungsrechte über die Zulässigkeit der Zweckkombination.
  2. Je mehr Funktionen integriert werden, desto weniger wird das Zweckbindungsgebot der anwendungsspezifischen Daten gewährleistet sein.
  3. Eine Absicht der Datenübertragung oder Geschäftsabwicklung „ohne Medienbruch" heißt nichts anderes, als die zunehmend verbindliche Umstellung der öffentlichen Verwaltung und vieler anderer Einrichtungen auf die nur-elektronische Nutzbarkeit. Das widerspricht der Wahlfreiheit.
  4. die direkte Standleitung von der ArbeitnehmerIn zum (Personal)Chef ist eine Zentralisierung im Sinne verschärfter Kontrolle.
  5. Eigentumstitel für Reiche mit der Geldkarte in privatisierten Zonen ehemaliger Öffentlichkeit sind ein Teil der Abschaffung des öffentlichen Raums, wenn damit bestimmte Mindestbeträge auf der Karte vorausgesetzt werden.
  6. Ein Karten-Muß für SozibezieherInnen oder Asylsuchende ist die Einführung der Apartheid.
  7. Das bisherige AsylCard-Konzept wird alle anderen EinwandererInnen und Flüchtlinge noch mehr in die Illegalität und damit Rechtlosigkeit treiben, als es die bestehenden Gesetze jetzt schon tun.
  8. eine MediCard wird die Gesundheitsversorgung standardisieren, das ist an den Bedürfnissen vorbei und wird die Reparaturmedizin beschleunigen. Eine Senkung der Kosten wird meistens auch eine Verschlechterung der Versorgung bedeuten. Sie ist mit der Weiterleitung von Information aus dem PatientInnen-Arzt-Verhältnis der Imperativ zurück und greift so technologisch-autoritär in die Behandlung ein (ausführlich dazu Bertrand und Kuhlmann 1996).
  9. Die Festlegung der Personenbezogenheit der Kartentechnologie ist grundsätzlich problematisch: technische Probleme des Ausfalls, der Verlust, Stromausfall und Verwechslung oder andere unbekannte PC-Fehler haben verheerende Folgen.
  10. Das Hinterlassen von Datenspuren und deren Rekonstruierbarkeit ist ein Hauptgrund der Einführung von Karten, für uns ein Hauptgrund sie abzulehnen
  11. multifunktionale Chipkarten standardisieren das Leben, das Verhalten, den Konsum. Sie bieten maximale Bewegung und maximale Kontrolle, jedoch ersteres für die Modernisierungsgewinner und letzteres für die Verlierer.
  12. Die Anwendung von Fingerabdrücken als Erkennungsinstrument ist entwürdigend und kriminalisierend. Dieses Detail muß unbedingt verhindert werden.
  13. Zwei gleichzeitige Prozesse können wir anhand der Kartenmanie erkennen: erstens einen Abbau des öffentlichen Rechts und Raums und eine Verdrängung des Gemeinsinns durch den Vormarsch des privaten Eigentums- und Hausrechts. Zweitens eine Entrechtung, die für zuwandernde Frauen, Kinder und Männer wie für einheimische Wettbewerbsverlierer eine Tendenz zur Illegalisierung bedeutet.

Wir können nur hoffen, daß es für viele dieser Werkschutz-Spielarten noch genügend technische Probleme gibt wie dieses: von den „biometrischen Gesichtserkennungsverfahren", entwickelt vom Zentrum für Neuroinformatik der Uni Bochum wird berichtet, daß es Probleme mit Zwillingen haben soll – sie können verwechselt werden.

Endnoten[Bearbeiten]

  1. Leisering und Leibfried, Zeit der Armut, 1995. Die Ergebnisse beruhen auf der Auswertung von Bremer Sozialhilfedaten von 1983-92.
  2. Werner Störmer, 1997. Elektronische Kartensysteme. Technik und Einsatzmöglichkeiten, Hüthig Praxiswissen, S. 265.


Chipkarten und "Informationen" - eine Chronologie[Bearbeiten]

Die minimale Informationsverbreitung zur Chipkarte seitens der Universität steht im krassen Gegensatz zu der Bedeutung, die das Vorhaben für die Universität und die Bremische Verwaltung besitzt. Aus der nachfolgenden Beschreibung der universitären Informations politik geht eines klar hervor: Es war weder ursprünglich geplant noch ist es jetzt vorgesehen, die Studierenden umfassend aufzuklären, an der Diskussion um das Thema gleichberechtigt zu beteiligen und ihr Votum so konsequent zu berücksichtigen, daß dies auch die Nichteinführung oder sinnvolle Änderungen der Karte zur Folge haben könnte.

Ein großes Projekt wird lapidar angekündigt[Bearbeiten]

Die erste öffentliche Bemerkung über eine Chipkarte an der Uni Bremen kam am 9.10.1998 von der OEL (Organisationseinheit Lehrerbildung) bei einer Informationsver an staltung zur neuen LPO für Erstsemester. Dort wurde sie "dank den Segnungen der Technik" als praktische Möglichkeit angepriesen, die Ableistung der geforderten 160 Semester wo chenstunden von nun an vollständig nachzuweisen. Abgesehen von dem peinlichen Versuch, ein so offensichtliches Verschulungs instrument wie Teilnahmekontrolle als Fort schritt zu verkaufen, ist es auch sehr bedenk lich, wie diese einschneidende Ver änderung des Campuslebens so nebenbei und ohne weitere Erläuterungen erwähnt wird. "Wie bitte? Was?!" - vereinzelt war im Auditorium doch Entsetzen spürbar.

Der AStA bittet um Aufklärung[Bearbeiten]

Als daraufhin am 14.10.1999 der AStA das Dezernat 6 (Studentische Angelegenheiten, kümmert sich um Funktionsumfang und Umsetzung) anschrieb und um detaillierte Informationen zum Planungsstand bat, bekam er als Antwort einen Text mit dem Titel "Vision: Online-Verwaltung in Bremen" sowie eine Liste mit möglichen Anwendungsfunktionen einer Chipkarte. Dort fanden sich unter anderem:

  • Ausweisfunktion - gewünscht, leicht realisierbar, fälschungssicher
  • Ersatz für Semesterticket - machbar, fälschungssicher
  • Ausdruck von Bescheinigungen und Prü fungsergebnissen - realisierbar, wünschenswert
  • Anmeldung zu Klausuren - realisierbar, wünschenswert...
  • Zugang zu Rechnern, Zutritt zu Räumen - denkbar, machbar...
  • Buchen von Veranstaltungen...
  • Logbuch für Studienleistungen - ...rechtliche Seite klären, Aufwand?

...und am Ende der Vermerk: "Zunächst auf wenige störungsfreie und attraktive Funktionen begrenzen". Soso, zunächst.

Der Text "Vision: Online-Verwaltung Bremen" (ohne Quellenangabe, aber nicht aus dem Dezernat 6) stellt die Vorteile einer digitalen öffentlichen Verwaltung in Bremen dar, für die die elektronische Unterschrift (Digitale Signatur) zentralen Stellenwert hat. Am Ende heißt es hier: "Im Bremer Projekt sollen Verwaltungsanliegen gefunden werden, die sich für eine Piloterprobung des Einsatzes einer solchen Digitalen Signatur eignen. Dafür werden Anliegen gesucht, die möglichst oft vorkommen, möglichst viele Kunden betreffen, vor allem unter denen, die mit Technikbenutzung vertraut sind...".

Die Uni rückt Informationen raus[Bearbeiten]

Auf dem Stugen-Treffen mit Konrektor Müller am 28.10.98 wurde die Karte von Uni-Seite nicht thematisiert; dies geschah erst am 9.12.98, nach einer Anfrage des AStA im Akademischen Senat und nachdem in der "Plenumenal" ein Artikel zum Thema erschienen war. Dazu der höchst differenzierte Kommentar von Frau Vocke (Leiterin des Dezernats 6): "Alles, was hier drin steht, ist falsch".

Auch als die Organisationseinheit LehrerInnen bildung (OEL) Anfang des letzten Winter semesters einen Hinweis auf die Chipkarten planungen mit dem ehrgeizigen Einführungs termin Wintersemester 1999/2000 an die Studis weitergab, war Frau Vocke nicht erfreut. Dadurch wurde die Thematik erst publik - wie schade, sonst könnten die Konzepte noch immer ohne die lästige Öffentlichkeit gebastelt und die Studis dann vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Und so versuchte die Vertreterin des Dezernats 6 mit ihren weiteren Erläuterungen denn auch die Bedeutung des Vorhabens abzuwiegeln, u.a. mit dem Beispiel, Belegbögen für besuchte Veranstaltungen könnten auch "zu Hause auf der Schreibmaschine" getippt werden. Studenten werk und SuUB würden unabhängig eigene Chipkarten zur bargeldlosen Bezahlung einführen wollen. Mehr noch: es gäbe in der Verwaltung "noch nicht mal" eine Vernetzung von Stammdaten und Prüfungsdaten (wie rückständig!) und damit auch keine automatische Exmatrikulation nach bestandener Prüfung, was z.B. dazu führe, daß Studis ihr Semesterticket noch länger nutzen können (schrecklich!). Die fehlende Vernetzung stellt ihrer Ansicht nach auch ein "Problem" dar für die im neuen Bremer Hochschulgesetz geplanten Zwangsberatungen nach dem 2. und dem 12. Semester (eigentlich auch kein "Problem" der Studis).

Immerhin wird es aber im Dezernat 6 für nötig befunden, der Uni eine neue Datenschutz verordnung zu verpassen, da die geltende aus den 80er Jahren lächerlich unkonkret sei. Und immerhin war von dort auch Ende November via E-Mail zu erfahren, daß im Akademischen Senat über das Thema Chipkarte "berichtet" wird und daß eine "Entscheidung über Ja, Nein oder Wie...nicht vor Ende des Sommer semesters fallen" wird.

Und auf eine studentische Frage nach dem Schutz der StudentInnen vor wirtschaftlichen Interessen von Privatfirmen gab es die Zusicherung, die Karte sei nur für die Anwendung auf dem Campus vorgesehen.

"Es ist noch nichts beschlossen"[Bearbeiten]

Sehr merkwürdig (besser: unglaubwürdig) auf jenem Stugen-Konrektor-Treffen am 9.12.98 war jedoch die Aussage aus dem Dezernat 6, es sei "noch nichts beschlossen" und die Uni informiere sich zur Zeit nur über bestehende Kartenprojekte. In der Tat wurden Selbstver waltungsgremien bisher nicht nach ihrer Meinung gefragt (falls das denn vorgesehen ist), aber das war sicher auch nicht gemeint. Der Wille zur Einführung der Karte wird an den Aktivitäten deutlich, die dazu bereits laufen.

Eine davon ist, daß sich der Rektor in Verhandlungen mit der Sparkasse befindet, nachdem diese und die Bremer Landesbank "an die Uni herangetreten" sind. Solange Verhandlungen laufen, gibt es natürlich offiziell keine Ergebnisse und es ist "nichts entschieden". Festhalten und ggf. einfordern sollten wir die Aussage des Dezernats 6: "Niemand will eine kontogebundene Karte".

Weiterhin hat sich die Uni gegenüber der Stadt Bremen die ausdrückliche Absicht erklärt, die notwendigen Veränderungen für die elektronische Abwicklung der Verwaltung vorzunehmen; nach Erläuterungen aus dem Dezernat 6 deshalb, weil es ja sonst sinnlos gewesen wäre, überhaupt an dem Städtewettbewerb Media@Komm teilzunehmen. Auch dies stellt natürlich noch keine Entscheidung dar...

Aber wieso sollte die Uni eigentlich Geld in ein Projekt stecken, dessen Arbeitsergebnisse sie am Ende gar nicht nutzen will? Immerhin ist an dem bundesweiten Wettbewerb Media@Komm auch das Technologiezentrum Informatik (TZI) beteiligt, eine wissenschaftliche Einheit der Universität und somit von dieser über Sach- und Personalmittel der beteiligten ProfessorInnen mitfinanziert. Oder haben wir es hier mal wieder mit Drittmittelfinanzierung zu tun?

Jedenfalls sollte es im Januar das Angebot eines Runden Tisches für Studierende zum Thema geben, mit Frau Vocke für das Dezernat 6, Herrn Mehrtens vom Dezernat 5 (Organi sation, EDV, zentrale Dienste), der Daten schutzbeauftragte Herr Voermanek und Herr Kubicek, federführender Prof des TZI-Projektes Media@Komm. Denn so ganz ohne studentische Beteiligung - das würde ja nicht gut aussehen. Besser kommt es immer an, wenn irgendwo auftaucht, "mit studentischer Beteiligung" wäre "in kontroversen Diskus sio nen einvernehmlich ein breiter Konsens erzielt" worden. Der Termin für diese Runde hat sich jetzt schon in den April oder Mai verschoben. Inzwischen hat Bremen den Städtewettbewerb "gewonnen" und die Uni steht unter Zugzwang mit ihrem Kartenprojekt. Die Feigenblatt funktion der Beteiligung von StudentIn nen wird immer offensichtlicher.

Ein Treffen des FIfF (Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V.) am 1.3.99, zu dem auch Kubicek (der auch das Media@Komm-Projekt wissenschaftlich betreut) eingeladen war, fand ohne diesen statt - und damit auch ohne neue konkrete Informationen von seiten der Projektentwickle rInnen. Auf einem Treffen von AStA und Unileitung war kurz zuvor mitgeteilt worden, daß die Einführung der Chipkarte eine Angelegenheit der Verwaltung sei, die keiner Befassung der Selbstverwaltungsgremien, auch nicht des Akademischen Senats (AS), bedürfe. Der AS könne jedoch auf einer Befassung des Themas bestehen, wenn er sie als grundsätzliche Angelegenheit von Lehre und Forschung auffaßt. Dies gilt allerdings nur, solange die SPDCDU noch nicht ihren Entwurf für das Bremische Hochschulgesetz verabschiedet hat, der dem AS diese Kompetenz nähme.

Interessanter sind da schon Mitteilungen, die eigentlich nicht für die studentische Öffentlichkeit gedacht waren[Bearbeiten]

In einer "Absichtserklärung zur Zusamme narbeit der Universität Bremen mit der Freien Hansestadt Bremen bei der Umsetzung des Konzeptes media@komm" an die Projekt leitung entwickelt der Kanzler der Universität folgende Vorstellungen zu studentischer Mitwirkung:

"Ein solch innovatives Projekt ist nicht unproblematisch. An vielen Stellen kann es zu Akzeptanzproblemen kommen. Die Universi tät Bremen wird mit all ihren Angehörigen, insbesondere den Studierenden, ein kooperatives Konzept entwickeln, in dem die sicherheits- und datenschutzrechtlichen Fragen zufriedenstellend beantwortet werden, und auf dessen Basis das Projekt vorangetrieben werden kann. Dadurch soll eine hohe Akzeptanz der multifunktionalen Chipkarte mit integrierter Digitaler Signatur nicht nur in der Studentenschaft erreicht werden." (Hervorhebung nicht im Original)

Das Problem sind also die Studis mit ihrer mangelnden Akzeptanz - und die fehlt nicht etwa deshalb, weil das Projekt eventuell deren berechtigte Interessen verletzen könnte (Stichwort "informationelle Selbstbestim mung"1), sondern weil es zu innovativ sei! Denn leider gibt es ja immer wieder diese ewiggestrigen technikfeindlichen Personen, die noch nicht begriffen haben, daß gegen den "Fortschritt" einfach nichts zu machen ist. Das Ziel kann folglich nur sein, die fehlende Akzeptanz zu schaffen, wofür die Studis auch gleich selbst die Ideen liefern (sprich den EntwicklerInnen Arbeit abnehmen) sollen; denn das Ergebnis steht ja schon fest: kooperatives Konzept, also Konsens. Andere Auswirkungen der studentischen Mitwirkung sind nicht vorgesehen. Ebensowenig wie eine Kritik, die über die Aspekte Sicherheit und Datenschutz hinausgeht und gesamtgesellschaftliche Zusammen hänge aufzeigt. Der letzte Satz des obigen Zitats zerstreut auch die Zweifel daran, daß hier die Studierenden als Vorhut gegen vermeintliche Technikangst oder -feindlichkeit und in Rich tung einer weiteren Verdatung der Gesellschaft herhalten sollen (siehe BürgerInnenkarte).

Es finden sich in der genannten Erklärung noch weitere Zusammenhänge:

"Im Herbst 1999 wird die neue Mensa fertig. Dann will das Studentenwerk Geldkarten als Zahlungsmittel zulassen. Deshalb plant die Universität die Einführung einer multifunktionalen Chipkarte als Studierendenausweis. Neben der Matrikelnummer muß er mindestens die Geld kartenfunktion und eine Semesterticket-Ausweisfunktion besitzen. Mit einer solchen Chipkarte könnten aber nicht Verwal tungs leistungen abgewickelt werden, die einer rechtsverbindlichen Unterschrift bedürfen. Gerade diese aber ... sind sowohl für die Studierenden als auch für die Universitätsverwaltung attraktiv. Die Universität Bremen möchte deshalb mit dem Media@Komm-Projekt in Bremen zusammen arbeiten. ... Auf dieser Karte wären dann Studierendenausweis, Semesterticket, Geldkarte und digitale Signatur kombiniert."

Alles klar, es ist "noch nichts entschieden"...

"Aber das ist doch alles so bequem!"[Bearbeiten]

Obwohl unsere Hauptkritik in eine andere Richtung geht, wollen wir hier noch ein häufig angeführtes Argument vorwegnehmen. Immer wieder wird versucht, uns einzureden, mit Chipkarten wäre das Leben so viel angenehmer. Abgesehen von den höchst unangenehmen "Begleiterscheinungen", die dabei verschwiegen werden, ist das Argument der Bequem lichkeit nur vordergründig überzeugend und wird im Detail fragwürdig. Wozu brauche ich die Möglichkeit, mich täglich von morgens bis abends zurückzumelden? Die Rückmeldung ist kein alltäglicher Vorgang und bis dato mit der Überweisung des Semesterbeitrags höchst bequem geregelt. Wieso ist es bequemer, Scheine an einem Terminal auszudrucken, statt sie bei der Dozentin abzuholen (wo dann sinnvollerweise noch ein Gespräch über die erbrachte Leistung stattfinden kann), wenn sie hinterher sowieso in der Fachbereichs ver waltung gesiegelt werden müssen? Und die Abfrage von Klausur- und Prüfungsergebnissen ist ja wohl nur möglich, wenn die bewertenden Profs (oder deren WiMis) sie vorher in das System eingegeben haben. Ist das Arbeits ersparnis? Und ist uns das überhaupt die 20 DM wert, die die Karte die Studis kosten würde?

Was sagt uns diese Art des Umgangs mit studentischer Öffentlichkeit?[Bearbeiten]

Aus all diesem ergibt sich, daß ein Einbringen in den Entwicklungsprozeß von studentischer Seite nicht den Effekt haben wird, daß eine Karte nach unseren Vorstellungen entsteht - oder eben auch überhaupt nicht entsteht. Es ist wichtig, sich immer wieder die erklärten Ziele des Projekts vor Augen zu halten: die Akzeptanz der Digitalen Signatur in der Bevölkerung zu stärken und die Verwaltung "effizienter" zu machen (also letztendlich auch Stellen abzubauen). Dafür wird eine personengebundene Karte gebraucht, mit allen beschriebenen und weiteren Folgen. Vorschläge für eine nicht personengebundene Version (z.B. nur als Bargeld-Alternative beim Kopieren oder Parken, für Mensa oder Bibliothek) werden daher kein Gehör finden, sie passen einfach nicht ins "kooperative Konzept".

Die Desinformation seitens der Uni zeigt deutlich: Der nachgeschobene "Runde Tisch" kann nur demokratische Maskerade ohne Kompetenzen sein, soll studentisches Engagement binden und Widerstand aufweichen.

Eine Gruppe von studentischen AktivistInnen hat es sich da natürlich nicht nehmen lassen, zu der am 10.06.99 erfolgten Einladung zum "Runden Tisch" zu erscheinen. Dort haben sie die anwesenden ExpertInnen mit Fragen überhäuft, sodann ihre Tagesordnung auf den Weg gebracht und nachdem von den Gast geberInnen nochmals die Kompetenz- und Folgenlosigkeit des Gesprächsangebots unterstrichen wurde, mit ihrer Mehrheit beschlossen, daß der "Runde Tisch" die Chipkarte zwar ablehne, aber zugleich wegen Kompetenz losigkeit seine Auflösung beschließt.

Nach gewissen Irritationen setzten die Karten betreiber den "Runden Tisch" fort, allerdings mit ersichtlicher Klarheit, daß nun die BefürworterInnen des Projektes unter sich sein werden.

Die Nachahmung wird von unserer Seite empfohlen, wir verweisen darauf, daß es auch in der Demokratiebewegung am Ende der DDR eine zentrale Forderung des Neuen Forums gewesen ist, daß der "Runde Tisch" Kompetenzen haben müsse.

Endnoten[Bearbeiten]

  1. Informationelle Selbstbestimmung: Im sog. Volkszählungsurteil stellte das BVG 1984 das Recht der BürgerInnen auf Informationelle Selbstbestimmung fest. Danach kann jedeR selbst darüber bestimmen, wem und zu welchem Zweck er oder sie welche personenbezogenen Daten zur Verfügung stellt.
  • Dieses Recht wird bspw. dann berührt, wenn im Intranet einer Universität Daten gespeichert und einzelnen Personen zugeordnet werden, während die Betroffenen keine Kontrolle darüber haben, wer Zugang zu welchen Daten hat und wer was über sie weiß

Die Chipkarte verhindern![Bearbeiten]

...und dabei nicht stehenbleiben...

"Das politische Geschichtsbewußtsein der außerparlamentarischen Opposition ist zu einem nicht unbeträchtlichen Teil noch reformistisch in bezug auf die unmittelbar zu erreichenden Ziele; die Reform ist Maßstab des Erfolges. Erfolg und Niederlage einer Aktion bemessen sich für eine Bewegung, die in toto den legitimen Anspruch auf Revolution stellt, konkret in der Regel nicht an den unmittelbaren positiven Zugeständnissen, welche den Herrschenden in direkter Aktion abgetrotzt werden, sondern an der quantitativen und klassenspezifischen Verbreiterung der Massenbasis und mehr noch deren qualitativer Organisierung. Die Fortschritte in der aufgeklärten Spontaneität der schon selbsttätigen Gruppen und der Aktivierung der bislang unbewegten Gruppen sind historisch höher zu bewerten als die Erleichterungen und Rechte, die als Folgen der Kämpfe eventuell von den Regierungen gewährt werden, zumal in einer geschichtlichen Situation, da die Reform zum herrschaftsstabilisierenden Integrationsinstrument des autoritären Staates und der ihm hörigen Massenorganisationen geworden ist."

(H.J. Krahl, Über Reform und Revolution (1968), in: Konstitution und Klassenkampf, Verlag Neue Kritik, Frankfurt 1971)

Wir hoffen, daß anhand der vorangegangenen Reader-Beiträge die Bedeutung der Einführung von Chipkarten, und die besondere Rolle der Uni-Chipkarte in diesem Prozeß, deutlich geworden sind.

Politische Einordnung[Bearbeiten]

Hochschulpolitisch passen sich die angestrebten Wirkungsbereiche einer Chipkarte, nämlich die Kontrolle von Studienleistungen, von Anwesenheitsnachweisen, von Veranstaltungsbelegungen etc., nahtlos in die Verschulungen und Verschärfungen von Prüfungsordnungen, die weitere Entdemokratisierung der universitären Selbstverwaltung (z.B. Novellierung des BremHG) und die verschärfte marktwirtschaftliche Zurichtung der gesamten Hochschullandschaft ein: (Ausgrenzung,) Disziplinierung und Kontrolle auf ein völlig unhinterfragtes Leistungsprinzip, das noch irgendwie mit einer Standort-Deutschland-wir-sitzen-alle-in-einem-Boot (, das übrigens auch noch voll sein soll…,)-Ideologie verbrämt wird.

Bremenspezifisch muß mensch sich nur die, wie Pilze aus dem Boden schießenden Institute u.ä. ansehen, um schon grob erahnen zu können, wohin die Reise gehen soll: Mit dem "Technologiepark" soll Bremen bzw. die Bremer Uni nicht nur "international wettbewerbsfähig" werden, sondern eine führende Rolle einnehmen; – das wird gerade vor der nach wie vor zunehmenden Bedeutung von technischer Innovation im Kapitalverwertungsprozeß deutlich.

Gesamtgesellschaftlich paßt sich das ein in erhöhten Leistungsdruck am Arbeitsplatz, Sozialabbau in allen Bereichen, Druck auf Erwerbsarbeitslose oder Sozialhilfeempfängerinnen, noch mehr Druck und Ausgrenzung auf/von MigrantInnen,…

Die autoritär formierte bundesdeutsche 2/3-Gesellschaft einer 1/5-Welt schließt immer schroffer ihre Pforten für jene, die – warum auch immer – 'rausfallen, die nicht mehr die nötige "Leistung" bringen können… Die Verwertungs- und Leistungslogik schlägt einfach etwas eindeutiger zu, als sie dies im sozialstaatlichen Gewande bisher zu tun pflegte.

Neben den Funktionen von Ausgrenzung, Kontrolle und Disziplinierung spielen an allen Ecken auch immer marktwirtschaftliche Interessen mit hinein und bestimmen z.T. auch verschiedene Entwicklungen: Von den ganz konkreten Interessen der an der Chipkarten-Entwicklung beteiligten Firmen, bis hin zum neuen und riesig dimensionierten Markt der sich mit der digitalen Signatur entwickeln wird. Die Bedeutung der Möglichkeit der digitalen Abwicklung aller geschäftlichen Angelegenheiten ist enorm, und all jene werden sich daran eine goldene Nase verdienen, die rechtzeitig das nötige know-how und die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung stellen können…

Konkret hat die Einführung von Chipkarten an Hochschulen eine strategische Schlüsselfunktion: Ziel war und ist die allgemeine BürgerInnenkarte.

Während die Asylcard für die Einführung einer BürgerInnenkarte eher ein schwerer Stolperstein war (der Kontrollcharakter war dabei zu eindeutig und "die AsylantInnen" sind zudem negativ stigmatisiert), soll über die universitäre Chipkarte (Statusgruppe "StudentInnen" als progressive Elite) eine BürgerInnenkarte hoffähig gemacht werden.

"Akzeptanz" ist dabei die Achillesferse des gesamten Projektes: Gelingt es nicht, unter den StudentInnen diese wohlwollende Akzeptanz herzustellen(, deshalb sei ja auch die geplante Einführung "zunächst auf störungsfreie und attraktive Funktionen begrenzen" (Chr. Vocke, Dez. 6), wird es überaus schwierig werden, das Ganze noch gesellschaftlich auszuweiten!

Genau hier muß auch unsere Kritik ansetzen, genau an dieser Stelle kann ein politisch relevanter Widerstand organisiert werden!

Wie dieser aussehen soll, darüber gibt es unterschiedliche Vorstellungen…

Kritisches Mitgestalten!? Reform!? – Verhindern![Bearbeiten]

Zwei (zugegeben etwas vereinfachte) unterschiedliche Motive könnten zu einer Position des "kritischen Mitgestaltens" führen:

  1. Erstere behauptet, daß eine Chipkarte doch eine eigentlich ganz nette – weil arbeitserleichternde und bequeme – Sache wäre. Mensch müßte nur ein paar überschießende Auswüchse beschränken und alles wäre in Butter.
  2. Zweitere sieht womöglich durchaus die politischen Dimensionen (, vielleicht darin gar auch so etwas wie eine Systemfrage), argumentiert dann allerdings taktisch: Da mensch die Chipkarte (das System) gerade nicht verhindern kann, was zwar notwendig, aber akut nicht möglich sei, käme es eben darauf an, noch das Beste daraus zu machen.

Wer so oder so die Chipkarte kritisch mitgestalten möchte, sollte sich zumindest ein paar unbequemer Frage bewußt sein:

  • Das fängt ganz platt schon beim Blick über die verschiedenen Tellerränder an...
Was bedeutet das, was für mich ganz individuell günstig und gelegen erscheint, für andere? Was bedeutet das, was für StudentInnen als Statusgruppe als vorteilhaft erscheint, für andere gesellschaftliche Gruppen?
  • ...und wird von diffusen „Standortlogiken" getoppt...
Was bedeutet das, was für Bremen oder Deutschland „irgendwie gut wäre", für andere Städte, Regionen, Länder, …
  • Allgemeiner formuliert:
Welche Kriterien und Maßstäbe gehen in eigene Verortungen mit ein? Wie weit ist mein Verhalten gesellschaftlich verallgemeinerbar? ...
  • Für die taktischen ReformerInnen: Ist die Chipkarte tatsächlich eine Thematik, an der ich noch kritisch mitgestalten kann, ist ihre zentrale politische Funktion nicht schon so sehr Teil der herrschenden Ideologien und Verhältnisse, daß sich diverse andere Ansatzpunkte viel eher anbieten müßten, taktisch in die Verhältnisse einzugreifen, als eben dieser?! Wie groß darf das Elend sein, daß ich es noch kritisch mitgestalten / mitverwalten will!? Und schließlich von wegen Taktik: Wo und wie vermittelt sich die "taktische Reform" mit der notwendigen "revolutionären Perspektive"!? Für uns, als die Gruppe, die diesen reader erstellt hat, ist klar: Die Chipkarte kann nur in Gänze verhindert werden; – sie wird sonst, wie viele andere kleine und große Schweinereien, schrittweise zu ihrer eigentlichen Funktion erweitert werden, in einem Prozeß vom netten und freundlichen Serviceangebot zum Kontroll-, Disziplinierungs- und Ausgrenzungsinstrument. Und: Politische Auseinandersetzungen dürfen dabei nicht stehen bleiben.
  • (Nebenbei: Auch den 'taktischen ReformerInnen' sei in Erinnerung gerufen, daß die Reformarbeit im progessiven Sinne (!) geschichtlich nur jeweils dann möglich war, wenn es aktiven und breiten gesellschaftlichen Druck "von unten" gab!)
  • Was steht konkret an?
  • Informationen, Diskussionen, Aktionen
  • Am wichtigsten erscheint uns, eine breiten Informations- und Diskussionsprozeß von, für und in StugAs und auf breiterer Studiengangsebene voranzutreiben. Geeignet können dafür Studiengangsvollversammlungen sein; etwas offensiver und vermutlich effektiver wäre es, sich in den eigenen Veranstaltungen dafür Raum zu nehmen. Neben der Studiengangsebene könnten AStA-Arbeitskreise versuchen, auch übergreifend einige Diskussionsbeiträge zu verbreiten.
  • Eine gemeinsame Koordinierung wäre nicht unsinnig, sollen sich Aktivitäten nicht vereinzelt verlieren, sondern sich vielleicht gegenseitig puschen! Das Bündnis gegen Chipkarten hat daher die Initiative für einen Aktionswochenrat an der Uni Bremen ergriffen. Der Rat trifft sich jeweils
  • montags um 12 Uhr ct, vor dem Veranstaltungsbüro, GW2 B2730, oder an einem dort bekanntgemachten Ort
  • Es soll dort um alle Themen gehen, die derzeit in den Studiengängen „brennen", nicht nur um die Chipkarte.
  • Gremien
  • Ein weiteres, aber von o.g. nicht abgekoppeltes Gleis kann sein, über die universitären Gremien von Studienkommissionen bis zum Akademischen Senat eine Resolution einzubringen, die sich ausdrücklich gegen die Chipkarte ausspricht. Da es durchaus noch eine ganze Reihe kritischer Profs an der Uni gibt, könnte es zumindest in einzelnen Studiengängen oder Fachbereichen möglich sein, diese auch mehrheitlich durchzubringen. Damit könnte mensch dann auch in der Medienöffentlichkeit gut arbeiten.
  • Öffentlichkeit/Medien
  • Intern sollten wir uns ein kollektives Informations-/Diskussions- und Koordinierungsforum schaffen, wie es z.T. immer mal wieder die "Plenumenal", das AStA-Info-Blatt, war.
  • Je nach Kapazitäten könnte das alles mit einer externen Medienkampagne gekoppelte werden: Pressemitteilungen, -konferenzen, Interviews in Funk und Fernsehen, etc. wären möglich.
  • Das – in der Summe – könnte sich auf zwei bis drei gemeinsame Aktions- und/oder Streiktage zuspitzen, – von wo aus wir dann weitersehen könnten…, – was vielleicht aber auch schon zur Verhinderung der Chipkarte ausreichen würde.
  • Noch ein paar Anmerkungen und offene Fragen
  • Es ist uns wichtig, die gemeinsamen Kapazitäten im Auge zu behalten, um sich nicht selbst in einem blinden Aktionismus zu verheizen.
  • Über die Verhinderung der Chipkarte hinaus, ist es uns ein Anliegen, daß gemeinsam bzw. in den jeweiligen Bereichen stabile Grundlagen auch für ein längerfristiges politisches Engagement geschaffen werden.
  • Daß sich Gruppen unterschiedlich organisieren, an verschiedenen Themen mit verschiedenen Strategien arbeiten, scheint derzeit allzu leicht in ein isoliertes Nebeneinander oder sogar voneinander Abgrenzen zu entgleiten, anstatt daß es als Chance gemeinsamer, arbeitsteiliger Praxis begriffen bzw. entwickelt wird. Auch daran könnte gearbeitet werden.
  • Diese allgemeineren Fragen müßten schließlich konkretisiert werden, wie kann z.B. konkrete Studiengangsarbeit aussehen, ohne sich im studiengangsspezifischen Detail oder in der mega-weltrevolutionären Perspektive zu verlieren?! An welchen Inhalten, in welchen konkreten Formen können sinnvolle Zusammenarbeiten laufen?!

Es gibt viel zu tun, ...!!!

Schöne neue Chipkartenwelt[Bearbeiten]

An dieser Stelle haben wir im Reader die Geschichte "Schöne neue Chipkartenwelt" aus der Broschüre "Abgekartetes Spiel - Wie Chipkarten den Hochschulalltag verändern" nachgedruckt, die vom Arbeitskreis Chipkarten der 23,5ten KIF (Konferenz der Informatik-Fachschaften) erarbeitet und vom Fachschaftsrat Informatik an der TH Darmstadt herausgegeben wurde.

Literaturverzeichnis[Bearbeiten]