KIF450:Ethik in der Informatik
Einleitung
Datum: Freitag 15:00 Uhr
AK-Leitung: Franziska Chuleck
Franziska berichtet, dass es an ihrer Hochschule sehr schwierig gewesen sei, die Einführung eines verpflichtenden Moduls zum Thema "Ethik in der Informatik" zu forcieren und erkundigt sich nach Erfahrungen der Anwesenden. Diese sehen wie folgt aus:
- Uni Bremen: Verpflichtenden Modul "Informatik und Gesellschaft"
- TU Kaiserslautern: Wahlmodul "Informatik und Gesellschaft", das aber eher eine Philosophieveranstaltung ist
- HS Emden-Leer: Verpflichtendes Datenschutzmodul
- HU Berlin: Lehrstuhl "Informatik und Gesellschaft", aber kein spezielles Modul dazu
- OvGU Magdeburg: nichts, optional im Nebenfach
- TU Dresden: Wahlpflicht "Informatik und Gesellschaft" Prof. Datenschutz/Datensicherheit
- TU Dortmund: verpflichtendes Modul "Informatik und Gesellschaft" wurde über Umwege abgeschafft
- FU Berlin: "Auswirkungen der Informatik" Pflichtmodul, bald neue Professur
- Uni Hamburg: neue Professorin für Ethik in der Informatik, Angebot im Aufbau
- TU Braunschweig: Wahlpflicht "Ethik in den Ingenieurswissenschaften"
- TU Graz: in (nicht allen) Bachelorstudiengängen Pflichtmodul "Gesellschaftliche Auswirkungen der Informationstechnologie", freies Wahlfach im Master "Technik und Ethik"
- Uni Göttingen, Uni Augsburg, Uni Stuttgart, Uni Passau, TU Chemnitz, Uni Frankfurt, TU Darmstadt, TH Mittelhessen, CAU Kiel, Uni Jena, RWTH Aachen, Uni Bonn, Uni Siegen, Uni Lübeck: nichts
Gründe für die neue Einführung entsprechender Module waren bei den betreffenden Hochschulen Personalwechsel oder Druck einer Akkreditierungsagentur. An einigen Standorten wird das Modul aufgrund schlechter Ausgestaltung auch unter Studierenden geringgeschätzt, oder man erkennt den Bedarf daran nicht. Die Anwesenden sind sich uneins, inwiefern das Einführen eines Kodex, indem zum Abschätzen der eigenen Handlungen im Bereich Informatik aufgerufen wird, hilfreich oder gewünscht ist.
Planung
Zur Ausgestaltung eines entsprechenden Moduls wurde eingebracht, dass Fallbeispiele gewünscht wären, um die gesellschaftlichen Auswirkungen der Informatik zu beleuchten, und dass man einen "lockeren Austausch" im Rahmen eines Seminars schätzen würde, was allerdings eher in einem höheren Fachsemester angesiedelt sein sollte. Es entsteht eine Diskussion darüber, ob schlechte Ethikschulung besser sei als keine, weil ein schlechtes Modul bei den Studierenden auf starke Ablehnung stoßen würde, man aber das Thema aus diesem Grund schlecht aus dem Curriculum ausschließen könnte. Da der Bereich Technikfolgenabschätzung eine eigene interdisziplinäre Disziplin mit völlig anderen Denkprozessen, unter anderem in den angrenzenden Bereichen Politikwissenschaften und Sozialwissenschaften, ist, sollte das Modul von interdisziplinären Expert*innen in diesem Bereich gehalten werden und nicht von "bloßen" Informatikprofessor*innen. Es wird eingebracht, dass auch rechtliche Aspekte abgedeckt werden könnten, da man einige Berührpunkte sieht.
Zur gewünschten Prüfungsform erläutert Franziska die Vorgaben aus der Akkreditierung und erkundigt sich nach Meinungen. Es gibt Bedenken am schriftlichen Abprüfen eines derartigen Moduls; Vorschläge sind das Leiten einer Debatte zu einem vorgegebenen Thema oder eine Präsentation.
Zusammenfassend ist der AK der Meinung, dass das Thema aus folgenden Gründen in Informatik-Curricula verankert werden sollte:
- Aus denselben Gründen, aus denen das Nebenfach als nützlich erachtet wird (Interdisziplinarität, "über den Tellerrand schauen", um keine "Fachidioten" zu bekommen)
- Um analog zu den KMK-Vorgaben die Befähigung zum gesellschaften Engagement zu gewährleisten (und um rein formal die KMK-Vorgaben sowie die GI-Empfehlungen zu erfüllen)
- Im Gegensatz zu vielen Nebenfächern, die aus Serviceveranstaltungen bedient werden, wäre ein entsprechendes Modul in sich bereits interdisziplinär. Da die Veranstaltung das Reflexionsvermögen der Studierenden schulen soll, würden auch andere Bereiche in der Informatik davin profitieren.
Argumente gegen die Einführung eines entsprechenden Moduls sind meistens allgemein gehalten ("unnötig", "keine Kapazitäten") und nicht inhaltlich. Es wurden auch Argumente genannt wie "das ist nicht Teil des Studium" oder ein schlichtes Fehlen von Interesse von seiten des Fachbereichs. Die Einrichtung von weiteren Lehrstühlen im Bereich Technikfolgenabschätzung würde von vielen Teilnehmer*innen begrüßt.
Weiterführende Literatur und Informationen
- Studie zum Stand der ethischen Reflexion bei Studierenden der Informatik: Schneider, Christoph. „Das muss man immer für sich selber abwägen“ oder: Das moralische Wissen von Studierenden der Informatik. In: Informatik-Spektrum 36, 3 (2013); S. 287-92
- Reso der letzten KIF: https://kif.fsinf.de/wiki/KIF445:Resolutionen/Ethik_als_Teil_des_Studiums
- "Der Leonardische Eid" :https://www.asiin.de/de/service/newsletter.html?file=files/content/newsletter/ASIIN-Newsletter_Nr14_Maerz_2017.pdf
Beispielmodulbeschreibung (von Lara aus Kaiserslautern, weitgehend aus den GI-Empfehlungen zusammenkopiert):
- Lernziele / Kompetenzen: Die Studierenden ...
- verfügen über grundlegende Rechtskenntnisse und Rechtsbewusstsein im Umgang mit Informatiksystemen und insbesondere schützenswerten Daten. Sie können den Einfluss rechtlicher Rahmenbedingungen auf Informatiksysteme analysieren.
- kennen den gegenseitigen Einfluss von Informatik und Gesellschaft und erkennen die daraus resultierende Verantwortung der Informatik. Sie können potentielle Veränderungen gesellschaftlicher Werte durch Informatiksysteme erkennen und bewerten.
- können Gründe für eine Berufsethik benennen und berufsethische Dilemmata analysieren und bewerten.
- Inhalte:
- Grundkonzepte in den Bereichen Datenschutz, geistiges Eigentum (UrhG, PatG) / Open Culture, Computerstrafrecht, Haftung.
- Wechselwirkungen zwischen Informatik und Gesellschaft in Vergangenheit und Gegenwart, Chancen und Risiken.
- Informatik-Berufsethik und verantwortliches Handeln im Umgang mit Informatiksystemen.
Modulkonzept in Dresden: https://tu-dresden.de/ing/informatik/sya/ps/studium/lectures/iug
- Vorträge und Diskussionen zu arbiträren Themen
- Prüfung mittels aktiver Beteiligung (unbenotet) / Scheingespräch (unbenotet) / Behandlung von 3 Themen (benotet)
Modulkonzept von 'Infomatik und Gesellschaft' der Uni Bremen
- verpflichtendes Modul
- Nach Regelstudienplan im 4. Semester
- Prüfungsform:
- In Gruppen -- Selbstständige Ausarbeitung eines gesellschaftskritischen Themas -- Präsentation entweder als 45 Minütigen Vortrag in Referatform oder als Plakat, ebenfalls Vortrag, jedoch kürzer -- Schriftliche Ausarbeitung des Themas in etwa 20 Seiten - Einzeln -- Ausführliche Reviews zu 3 Vorträgen verfassen -- Fachgespräch in zufällig konstruierten 3er-Gruppen zu einem gesellschaftskritischen Thema in Diskussionsform