KIF425:Resolutionen/Störerhaftung

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Resolution / Offener Brief an den Bundestag

Die 42,5. Konferenz der Informatikfachschaften[1] fordert die Abschaffung der Störerhaftung für Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze in der Bundesrepublik Deutschland.

Wir begrüßen den Gesetzesentwurf der Fraktionen Bündnis 90/GRÜNE und der Fraktion DIE LINKE zur Änderung des § 8 TMG (Drucksache 18/3047 des deutschen Bundestages[2]). Wir fordern die Ersetzung des Wortes "Funknetzwerke" durch "Kommunikationsnetze" in Absatz 3, da wir keine Einschränkung auf bestimmte Technologien wollen.

Begründung

Die Schaffung von Rechtssicherheit befördert die Umsetzung von freien Netzwerken auch an Hochschulen. Als einen wesentlichen Bestandteil, aus Sicht der Studierenden des Bereichs der Informatik, begreifen wir die Förderung des freien Zugangs zu Wissen, insbesondere die Erleichterung der experimentellen Forschung zu Kommunikationsnetzwerken. Zusätzlich erleichtern freie Netzwerke den Hochschulen die Zurverfügungstellung von Gastzugängen, die von den internen Netzen getrennt sind und so keinen Zugriff auf zu schützende hochschulinterne Informationen bieten. Hier entfallen zusätzliche Verwaltungsschritte und Authentifizierungen für die Gastzugänge, was eine gezielte Benutzung der Netzwerke erst ermöglicht. Die Reduktion des Verwaltungsaufwands hat auf Anbieterseite Potenzial zu Kosteneinsparungen und fördert auf Anwenderseite die Benutzbarkeit.

Die Einschränkung im Entwurf auf Funknetzwerke ist nicht schlüssig. Unter anderem können Netzzugänge über "WLAN-Router" nicht nur per Funk, sondern auch via Kabel genutzt werden. Der Gesetzentwurf darf sich nicht auf konkrete Technologien beschränken, sondern muss alle Kommunikationsnetze umfassen.

Außerhalb von geschlossenen Gebäuden wird der Internetempfang (u.a. mittels LTE, 3G o.ä.) oftmals ermöglicht. Innerhalb von Gebäuden ist der Internetempfang aus technischen Gründen (z.B. Stahlbeton) nur eingeschränkt über Mobilfunknetze möglich. Dies lässt sich derzeit durch den Einsatz von WLAN effektiv verbessern und könnte zukünftig auch durch weitere Zugangstechnologien weiter vorangebracht werden.

Im Gegensatz zur Auffassung der Fraktion CDU/CSU findet die Wertschöpfung gerade nicht hauptsächlich durch die Beschränkung des Netzzuganges, sondern durch Dienstleistungen statt, die erst infolge eines bestehenden Netzzuganges bereitgestellt werden können. Das beste Beispiel ist die Steigerung des Umsatzes im Bereich Online-Handel.

Die Grundversorgung mit Internetzugängen ist von den kommerziellen Anbietern nicht ausreichend sichergestellt. Um eine bedarfsgerechte Abdeckung sicherzustellen, müssen nichtkommerziellen Anbietern mindestens die gleichen Haftungsprivilegien zugesprochen werden.

Zum Argument der Rechtsverletzungen aus der Fraktion CDU/CSU und Teilen der Fraktion SPD sind wir der Meinung, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und freien Wissenszugang wichtiger ist als das Urheberrecht oder der Wille zur Verfolgung eventueller Rechtsverletzungen.

Aufgrund fehlender konkreter Aussagen der großen Koalition über deren geplanten Gesetzesentwurf, können wir nur mutmaßen, welchen Inhalt dieser haben könnte. Mit Blick auf die Vergangenheit befürchten wir, dass der Gesetzesentwurf eine Art Vorratsdatenspeicherung enthalten könnte. Eine Vorratsdatenspeicherung auf Seiten der Zugangsanbieter entbehrt insbesondere bei freien Zugängen jeder Grundlage, da keine Abrechnung erfolgen muss. Eine Erfassung auf Generalverdacht betrachten wir als nicht grundrechtskonform (siehe EuGH C-293/12 und C-594/12[3], Urteil Bundesverfassungsgericht: 1 BvR 256/08[4]). Weiterhin kann die Sicherung der ggf. erfassten Daten gegen Zugriff durch Unberechtigte nicht hinreichend sichergestellt werden.

Der Grundbedarf in allen Bevölkerungsgruppen an Zugängen zu Kommunikationsnetzen wiegt im Sinne des Allgemeinwohles schwerer als die Interessen einzelner Unternehmen.

Personen, die absichtlich Urheberrechtsverletzungen oder Ähnliches begehen wollen, können bereits jetzt technische Maßnahmen (z.B. VPN, Tor, JonDo) zur Verschleierung ihrer Identität und Umgehung der Rechtsverfolgung nutzen. Aktuell führt die Störerhaftung vor allem zu zusätzlichem Aufwand und Kosten für diejenigen, welche ihren Mitmenschen freie Zugänge zum Internet ermöglichen wollen. Des Weiteren führt sie dazu, dass die unwissentliche, versehentliche oder in guter Absicht geschehene Bereitstellung von Internetzugängen, bei Missbrauch durch Dritte, eine Bestrafung der falschen Personen nach sich zieht.

Wenn die Verschlüsselung der Kommunikationsdaten beim Router endet, schützt dies nicht vor der Manipulation durch kriminelle Organisationen, staatliche Behörden oder Einzelpersonen. Dies hindert lediglich am Zugang und der Teilhabe an der digitalen Gesellschaft. Sobald die Daten den Router erreichen, werden diese entschlüsselt und liegen sowohl temporär im Router als auch auf dem Transportweg durch das Internet unverschlüsselt vor, sofern keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung genutzt wird. Siehe das Beispiel von Man-in-the-Middle-Angriffen [5] bei dem sich ein Angreifer in die Mitte des Kommunikationskanales begibt und die Datenpakete mitlesen und gegebenenfalls manipulieren kann.

Zur beabsichtigten internationalen Regelung: In den meisten Staaten, auch innerhalb der EU, existiert keinerlei Störerhaftung für Betreiber offener Kommunikationsnetze. Die nationale, gerichtlich herbeigeführte Regelung, ist auch nur das Ergebnis der nicht hinreichend präzisen Formulierung im TMG. Dieser Umstand sollte behoben werden.

Referenzen

Siehe auch