KIF375:EQR / DQR

Aus KIF

Einleitung

Aufgrund der Empfehlung des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission wurden die EU-Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert, bis 2010 eigene Qualifikationsrahmen zu entwickeln und diese auf die im Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) definierten Niveaustufen anzupassen.

Der Qualifikationsrahmen ist hierbei eine lineare Anordnung der möglichen Ausbildungsstufen einer Person von Level 1 bis Level 8. Jede Stufe wird durch sog. "Deskriptoren" beschrieben und gliedert sich im EQR in die drei Bereiche

  1. Kenntnisse,
  2. Fertigkeiten und
  3. Kompetenzen.

Zum Erreichen einer Stufe muss eine Person die für diese Stufe definierten Deskriptoren erfüllen, was i.a. durch einen entsprechenden Ausbildungs- bzw. Hochschulabschluss sichergestellt wird.

In Deutschland wird als Ausprägung des EQR der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) entwickelt. Dieser enthält ebenso die aus dem EQR bekannten 8 Niveaustufen, jedoch stattdessen die folgenden (jeweils zu zweit gruppierten) vier Bereiche

  1. Fachkompetenz
    1. Wissen
    2. Fertigkeiten
  2. Personale Kompetenz
    1. Sozialkompetenz
    2. Selbstkompetenz

Der DQR wird hierbei von einer Gruppe bestehend aus zahlreichen Berufsverbänden, bildungspolitischen Einrichtungen und einigen wenigen hochschulpolitischen Einrichtungen entworfen.

Ablauf

Die Verabschiedung des DQR ist erklärtes Ziel der im Jahre 2009 gewählten Bundesregierung und wird auch im entsprechenden Koalitionsvertrag erwähnt:

"Wir werden die Entwicklung eines Deutschen Qualifikationsrahmens dazu nutzen, 
 um Gleichwertigkeit, Mobilität und Durchlässigkeit im deutschen und 
 europäischen Bildungsraum zu stärken. Dabei werden wir im europäischen 
 Prozess darauf achten, dass das deutsche Bildungssystem sein eigenes Profil 
 wahrt und seine Qualität innerhalb der EU zur Geltung bringt."

Koalitionsvertrag, Kapitel ‚II. Bildungsrepublik Deutschland – durch gute Bildung und starke Forschung’, Abs. 1.9 ‚Lebensbegleitendes Lernen’

Phase 1 (Mitte 2007 bis Februar 2009)

  • Konstituierung der Bund-Länder-Koordinierungsgruppe DQR und des Arbeitskreises DQR
  • Auftakttagung März 2007
  • Konsens über Ziele und Leitlinien, übergeordnete
  • Kompetenzkategorien, Terminologie und Niveaustufen
  • Erarbeitung eines Modells für den DQR mit Beschreibung der
  • Lernergebnisse für die einzelnen Niveaustufen (Deskriptoren)

Phase 2 (bis Januar 2010)

  • Exemplarische Zuordnung bestehender Abschlüsse zu den Niveaustufen des DQR
  • Ausgewählte Bereiche sind:
    1. Gesundheit,
    2. Handel,
    3. IT,
    4. Metall/Elektro
  • Folgende Abschlüsse werden in diesen Bereichen jeweils auf Passgenauigkeit mit DQR geprüft
    1. Bildungsgänge mit allgemeinbildenden Abschlüssen
    2. Bildungsgänge in der Berufsvorbereitung
    3. Einstiegsqualifizierungen nach § 235 b SGB III
    4. Teilqualifizierende Erstausbildungsgänge an beruflichen Schulen
    5. Vollqualifizierende Erstausbildungsgänge an beruflichen Schulen
    6. Berufliche Bildungsgänge zum Erwerb einer Hochschulreife
    7. Duale Bildungsgänge nach Berufsbildungsgesetz
    8. Bildungsgänge nach Berufsbildungsgesetz § 66 BBiG (Behinderte)
    9. Geregelte Fortbildungen
    10. Bildungsgänge an Hochschulen unter Einbeziehung dualer Studiengänge
  • Rückkopplung und Überarbeitung der DQR-Matrix

Phase 3 (bis Ende 2011)

  • Fertigstellung des DQR
  • Politische Entscheidung über Umsetzung
  • Zuordnung bestehender Abschlüsse zu den Niveaustufen des DQR in der Breite des deutschen Bildungssystems des DQR

Phase 4 (bis Ende 2012)

  • Verweis auf die Niveaustufen des EQR in allen neuen Qualifikationsnachweisen

Probleme des aktuellen DQR-Entwurfs (Nov. 2009)

Im Folgenden wird eine kleine Auswahl (!) an Problemen des aktuellen DQR Entwurfs vorgestellt:

Illusion der objektiven Zuordnung

Ziel des DQRs ist es, dass eine Analyse der Ausbildungsbeschreibungen unmittelbar zur entsprechenden Stufe in der DQR Matrix führen soll. Dieses ist jedoch nicht ohne Weiteres möglich. Zahlreiche Begriffe, welche in der Beschreibung von Ausbildungen verwendet werden, sind kontextabhängig. Als Beispiel kann man etwa die Beschreibung eines Bacherstudiums betrachten. Dort wird etwa über "die Grundlagen des Faches" gesprochen. Betrachten wir uns nun die vorgeschlagenen Niveaustufen 2 und 6 des DQR. Dort heißt es:

  • Niveau 2: "... wissenschaftlichen Grundlagen, sowie über neuestes Fachwissen ..."
  • Niveau 6: "... grundlegendes allgemeines Wissen und grundlegendes Fachwissen ..."

Eine Zuordnung ohne den entsprechenden Kontext ist somit nicht möglich. Der Kampf um die höchst mögliche Einstufung eines Abschlusses ist somit eröffnet.

Gespaltene Deskriptoren

Mit dem Ziel einer Vereinigung von universitären und beruflichen Ausbildungen verwendet ein Großteil der Niveaudefinitionen "oder-Bedingungen. So heitß es etwa für die Fachkompetenz Wissen auf Niveau 6:

Über breites und integriertes Wissen, einschließlich der wissenschaftlichen 
Grundlagen, sowie über neuestes Fachwissen in Teilbereichen eines
wissenschaftlichen Faches 
   oder 
über breites und integriertes berufliches Wissen
einschließlich der aktuellen fachlichen Entwicklungen verfügen.
Über einschlägiges Wissen an Schnittstellen zu anderen Bereichen verfügen

Es werden somit berufliche Ausbildung und Hochschulstudium in einer Beschreibung vermengt.

Selbstkompetenz als 4. Säule

Die als 4. Säule des DQR definierte Selbstkompetenz ist nicht vereinbar mit der Definition des EQR. Eine Abbildung ist nicht möglich, da durch den EQR eigentlich die Säule "Kompetenz" gefordert wird:

EQR: Kompetenz

Die nachgewiesene Fähigkeit, Kenntnisse, Fertigkeiten sowie
persönliche, soziale und methodische Fähigkeiten in Arbeits- oder
Lernsituationen und für die berufliche und/oder persönliche
Entwicklung zu nutzen.

Hier gegenüber haben wir die Selbstkompetenz:

DQR: Selbstkompetenz

Selbstständigkeit /
Verantwortung, Reflexivität
und Lernkompetenz

Sowie die Säule Sozialkompetenz

DQR: Sozialkompetenz

Team- / Führungsfähigkeit,
Mitgestaltung und
Kommunikation

Unvereinbarkeit

Hiermit sind nun im DQR zwei nur schwerlich abprüfbare bzw. nachweisbare (!) Fähigkeiten enthalten, welche jedoch keine Aussagekraft auf den eigentlichen Kompetenzbegriff des EQR haben. Stattdessen wird im EQR eine aus den Fähigkeiten "Kenntnisse" und "Fertigkeiten" resultierende Kompetenz gefordert.

Missbrauch von Domänenparametern

Betrachten wir beispielhaft die DQR Beschreibungen von "Fertigkeiten auf Niveau 6":

Über ein sehr breites Spektrum an Methoden zur Bearbeitung komplexer
Probleme in einem Lernbereich oder beruflichen Tätigkeitsfeld verfügen. Neue
Lösungen erarbeiten und unter Berücksichtigung unterschiedlicher Maßstäbe
beurteilen, auch bei sich häufig ändernden Anforderungen.

Hierbei können wir uns zwei mögliche Szenaren Betrachten:

Szenario A

Es wird gezeigt, dass der Deskriptor für Stufe 6 für den Studiengang Bachelor Informatik zutrifft. Folglich wird dieser Studiengang auf Stufe 6 einsortiert.

Szenario B

Es wird gezeigt, dass für einen hypothetischen Ausbildungsberuf "Datenbanken" dieser Deskriptor zutrifft. Also muss auch der Ausbildungsgang auf Niveau 6 eingeordnet werden.

Absurde Folgerung

Die Folgerung müsste demnach lauten, dass beide Ausbildungsgänge äquivalent wären. Dieses ist jedoch absurd, allein wenn man sich die Komplexität und die Größe der jeweiligen Bereiche vor Augen führt. Es fehlen somit im DQR klare Regeln anhand derer die entsprechenden Domänenparamenter im DQR gesetzt werden dürfen.

Verschiedenartig aber gleichwertig?

Es stellt sich die Frage, ob höchst verschiedenartige Ausbildungsgänge, welche sich anhand des DQR als gleichwertig herausstellen, tatsächlich gleichwertig sind. Viel spannender ist sogar die Frage, welche Konsequenzen eine Gleichwertigkeit haben könnte. Hier ein paar mögliche Fragen:

  • Einschätzung in Europa? - Laut EQR vorgegeben.
  • Rang auf der Karriereleiter? - Angeblich nicht.
  • Zulassung zu Ausbildungsgängen? - Angeblich nicht.
  • Tarifeinstufung? - ?!
  • ...

Keine Verzweigungen

Sowohl EQR als auch DQR ignorieren vollständig die Frage nach möglichen Verzweigungen bzw. Spezialisierungen einzelner Ausbildungen. Es ist fraglich, ob eine lineare Skala tatsächlich in der Lage ist das Berufsprofil einer Person exakt zu beschreiben. Gerade im Bereich der Hochschulausbildung trifft man oft auf die Fragestellung einer eher anwendungsorientierten oder eher forschungsnahen Ausrichtung bzw. Spezialisierung. Dieses kann jedoch mit dem aktuellen Modell des DQR nicht beschrieben werden.

Handlungsbedarf

Ja! Akut muss vor allem auf den DQR aufmerksam gemacht werden. Momentan ist dieses Problem (Ende Nov. 2009) quasi unbekannt und wird nur in einzelnen Fachausschüssen behandelt. Erst eine große Öffentlichkeit der Hochschulen kann dazu beitragen noch Änderungen/einen Neubeginn des DQR durchzusetzen.


Hintergrundinformationen

Hintergrundinformationen zum DQR sind leider sehr dürftig. Insbesondere ist es nur schwer möglich gute Belege für Probleme des DQR zu finden. Hier hat sich vor allem der Fakultätentag Informatik, als auch 4Ing als Zusammenschluss der ingenierwissenschaftlichen Fakultätentage sehr positiv hervorgetan:

Inhaltliches

Stellungnahmen

Konferenz dazu am 23. und 24.11

Weforum Jugend

weitere Links