KIF375:EQR / DQR: Unterschied zwischen den Versionen
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Über breites und integriertes Wissen, einschließlich der wissenschaftlichen | Über breites und integriertes Wissen, einschließlich der wissenschaftlichen |
Version vom 24. November 2009, 14:03 Uhr
Einleitung
Aufgrund der Empfehlung des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission wurden die EU-Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert, bis 2010 eigene Qualifikationsrahmen zu entwickeln und diese auf die im Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) definierten Niveaustufen anzupassen.
Der Qualifikationsrahmen ist hierbei eine lineare Anordnung der möglichen Ausbildungsstufen einer Person von Level 1 bis Level 8. Jede Stufe wird durch sog. "Deskriptoren" beschrieben und gliedert sich im EQR in die drei Bereiche
- Kenntnisse,
- Fertigkeiten und
- Kompetenzen.
Zum Erreichen einer Stufe muss eine Person die für diese Stufe definierten Deskriptoren erfüllen, was i.a. durch einen entsprechenden Ausbildungs- bzw. Hochschulabschluss sichergestellt wird.
In Deutschland wird als Ausprägung des EQR der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) entwickelt. Dieser enthält ebenso die aus dem EQR bekannten 8 Niveaustufen, jedoch stattdessen die folgenden (jeweils zu zweit gruppierten) vier Bereiche
- Fachkompetenz
- Wissen
- Fertigkeiten
- Personale Kompetenz
- Sozialkompetenz
- Selbstkompetenz
Der DQR wird hierbei von einer Gruppe bestehend aus zahlreichen Berufsverbänden, bildungspolitischen Einrichtungen und einigen wenigen hochschulpolitischen Einrichtungen entworfen.
Ablauf
Die Verabschiedung des DQR ist erklärtes Ziel der im Jahre 2009 gewählten Bundesregierung und wird auch im entsprechenden Koalitionsvertrag erwähnt:
"Wir werden die Entwicklung eines Deutschen Qualifikationsrahmens dazu nutzen, um Gleichwertigkeit, Mobilität und Durchlässigkeit im deutschen und europäischen Bildungsraum zu stärken. Dabei werden wir im europäischen Prozess darauf achten, dass das deutsche Bildungssystem sein eigenes Profil wahrt und seine Qualität innerhalb der EU zur Geltung bringt."
Koalitionsvertrag, Kapitel ‚II. Bildungsrepublik Deutschland – durch gute Bildung und starke Forschung’, Abs. 1.9 ‚Lebensbegleitendes Lernen’
Phase 1 (Mitte 2007 bis Februar 2009)
- Konstituierung der Bund-Länder-Koordinierungsgruppe DQR und des Arbeitskreises DQR
- Auftakttagung März 2007
- Konsens über Ziele und Leitlinien, übergeordnete
- Kompetenzkategorien, Terminologie und Niveaustufen
- Erarbeitung eines Modells für den DQR mit Beschreibung der
- Lernergebnisse für die einzelnen Niveaustufen (Deskriptoren)
Phase 2 (bis Januar 2010)
- Exemplarische Zuordnung bestehender Abschlüsse zu den Niveaustufen des DQR
- Ausgewählte Bereiche sind:
- Gesundheit,
- Handel,
- IT,
- Metall/Elektro
- Folgende Abschlüsse werden in diesen Bereichen jeweils auf Passgenauigkeit mit DQR geprüft
- Bildungsgänge mit allgemeinbildenden Abschlüssen
- Bildungsgänge in der Berufsvorbereitung
- Einstiegsqualifizierungen nach § 235 b SGB III
- Teilqualifizierende Erstausbildungsgänge an beruflichen Schulen
- Vollqualifizierende Erstausbildungsgänge an beruflichen Schulen
- Berufliche Bildungsgänge zum Erwerb einer Hochschulreife
- Duale Bildungsgänge nach Berufsbildungsgesetz
- Bildungsgänge nach Berufsbildungsgesetz § 66 BBiG (Behinderte)
- Geregelte Fortbildungen
- Bildungsgänge an Hochschulen unter Einbeziehung dualer Studiengänge
- Rückkopplung und Überarbeitung der DQR-Matrix
Phase 3 (bis Ende 2011)
- Fertigstellung des DQR
- Politische Entscheidung über Umsetzung
- Zuordnung bestehender Abschlüsse zu den Niveaustufen des DQR in der Breite des deutschen Bildungssystems des DQR
Phase 4 (bis Ende 2012)
- Verweis auf die Niveaustufen des EQR in allen neuen Qualifikationsnachweisen
Probleme des aktuellen DQR-Entwurfs (Nov. 2009)
Im Folgenden wird eine kleine Auswahl (!) an Problemen des aktuellen DQR Entwurfs vorgestellt:
Illusion der objektiven Zuordnung
Ziel des DQRs ist es, dass eine Analyse der Ausbildungsbeschreibungen unmittelbar zur entsprechenden Stufe in der DQR Matrix führen soll. Dieses ist jedoch nicht ohne Weiteres möglich. Zahlreiche Begriffe, welche in der Beschreibung von Ausbildungen verwendet werden, sind kontextabhängig. Als Beispiel kann man etwa die Beschreibung eines Bacherstudiums betrachten. Dort wird etwa über "die Grundlagen des Faches" gesprochen. Betrachten wir uns nun die vorgeschlagenen Niveaustufen 2 und 6 des DQR. Dort heißt es:
- Niveau 2: "... wissenschaftlichen Grundlagen, sowie über neuestes Fachwissen ..."
- Niveau 6: "... grundlegendes allgemeines Wissen und grundlegendes Fachwissen ..."
Eine Zuordnung ohne den entsprechenden Kontext ist somit nicht möglich. Der Kampf um die höchst mögliche Einstufung eines Abschlusses ist somit eröffnet.
Gespaltene Deskriptoren
Mit dem Ziel einer Vereinigung von universitären und beruflichen Ausbildungen verwendet ein Großteil der Niveaudefinitionen "oder-Bedingungen. So heißt es etwa für die Fachkompetenz Wissen auf Niveau 6:
Über breites und integriertes Wissen, einschließlich der wissenschaftlichen Grundlagen, sowie über neuestes Fachwissen in Teilbereichen eines wissenschaftlichen Faches oder über breites und integriertes berufliches Wissen einschließlich der aktuellen fachlichen Entwicklungen verfügen. Über einschlägiges Wissen an Schnittstellen zu anderen Bereichen verfügen
Es werden somit berufliche Ausbildung und Hochschulstudium in einer Beschreibung vermengt.
Selbstkompetenz als 4. Säule
Die als 4. Säule des DQR definierte Selbstkompetenz ist nicht vereinbar mit der Definition des EQR. Eine Abbildung ist nicht möglich, da durch den EQR eigentlich die Säule "Kompetenz" gefordert wird:
EQR: Kompetenz
Die nachgewiesene Fähigkeit, Kenntnisse, Fertigkeiten sowie persönliche, soziale und methodische Fähigkeiten in Arbeits- oder Lernsituationen und für die berufliche und/oder persönliche Entwicklung zu nutzen.
Hier gegenüber haben wir die Selbstkompetenz:
DQR: Selbstkompetenz
Selbstständigkeit / Verantwortung, Reflexivität und Lernkompetenz
Sowie die Säule Sozialkompetenz
DQR: Sozialkompetenz
Team- / Führungsfähigkeit, Mitgestaltung und Kommunikation
Unvereinbarkeit
Hiermit sind nun im DQR zwei nur schwerlich abprüfbare bzw. nachweisbare (!) Fähigkeiten enthalten, welche jedoch keine Aussagekraft auf den eigentlichen Kompetenzbegriff des EQR haben. Stattdessen wird im EQR eine aus den Fähigkeiten "Kenntnisse" und "Fertigkeiten" resultierende Kompetenz gefordert.
Missbrauch von Domänenparametern
Betrachten wir beispielhaft die DQR Beschreibungen von "Fertigkeiten auf Niveau 6":
Über ein sehr breites Spektrum an Methoden zur Bearbeitung komplexer Probleme in einem Lernbereich oder beruflichen Tätigkeitsfeld verfügen. Neue Lösungen erarbeiten und unter Berücksichtigung unterschiedlicher Maßstäbe beurteilen, auch bei sich häufig ändernden Anforderungen.
Hierbei können wir uns zwei mögliche Szenaren Betrachten:
Szenario A
Es wird gezeigt, dass der Deskriptor für Stufe 6 für den Studiengang Bachelor Informatik zutrifft. Folglich wird dieser Studiengang auf Stufe 6 einsortiert.
Szenario B
Es wird gezeigt, dass für einen hypothetischen Ausbildungsberuf "Datenbanken" dieser Deskriptor zutrifft. Also muss auch der Ausbildungsgang auf Niveau 6 eingeordnet werden.
Absurde Folgerung
Die Folgerung müsste demnach lauten, dass beide Ausbildungsgänge äquivalent wären. Dieses ist jedoch absurd, allein wenn man sich die Komplexität und die Größe der jeweiligen Bereiche vor Augen führt. Es fehlen somit im DQR klare Regeln anhand derer die entsprechenden Domänenparamenter im DQR gesetzt werden dürfen.
Verschiedenartig aber gleichwertig?
Es stellt sich die Frage, ob höchst verschiedenartige Ausbildungsgänge, welche sich anhand des DQR als gleichwertig herausstellen, tatsächlich gleichwertig sind. Viel spannender ist sogar die Frage, welche Konsequenzen eine Gleichwertigkeit haben könnte. Hier ein paar mögliche Fragen:
- Einschätzung in Europa? - Laut EQR vorgegeben.
- Rang auf der Karriereleiter? - Angeblich nicht.
- Zulassung zu Ausbildungsgängen? - Angeblich nicht.
- Tarifeinstufung? - ?!
- ...
Keine Verzweigungen
Sowohl EQR als auch DQR ignorieren vollständig die Frage nach möglichen Verzweigungen bzw. Spezialisierungen einzelner Ausbildungen. Es ist fraglich, ob eine lineare Skala tatsächlich in der Lage ist das Berufsprofil einer Person exakt zu beschreiben. Gerade im Bereich der Hochschulausbildung trifft man oft auf die Fragestellung einer eher anwendungsorientierten oder eher forschungsnahen Ausrichtung bzw. Spezialisierung. Dieses kann jedoch mit dem aktuellen Modell des DQR nicht beschrieben werden.
Handlungsbedarf
Ja! Akut muss vor allem auf den DQR aufmerksam gemacht werden. Momentan ist dieses Problem (Ende Nov. 2009) quasi unbekannt und wird nur in einzelnen Fachausschüssen behandelt. Erst eine große Öffentlichkeit der Hochschulen kann dazu beitragen noch Änderungen/einen Neubeginn des DQR durchzusetzen.
Hintergrundinformationen
Hintergrundinformationen zum DQR sind leider sehr dürftig. Insbesondere ist es nur schwer möglich gute Belege für Probleme des DQR zu finden. Hier hat sich vor allem der Fakultätentag Informatik, als auch 4Ing als Zusammenschluss der ingenierwissenschaftlichen Fakultätentage sehr positiv hervorgetan:
Inhaltliches
- (positive) Informationen der Arbeitsgruppe
- Sektoraler Qualifikationsrahmen für Ingenierwissenschafen durch den 4ing
- Referat des 4ing: "Nutzen und Grenzen von Fachqualifikationsrahmen"
- KMK Beschluss zum Qualifikationsrahmen für Hochschulabschlüsse
- Europäischer Qualifikationsrahmen für Lebenslanges Lernen (legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. Oktober 2007)
Stellungnahmen
Konferenz dazu am 23. und 24.11
weitere Links
- Ländervergleich Deutschland, Dänemark, Irland Seite: 15ff